König Artus
verteidigen, und seine Liebe zu den Damen wird nicht größer werden, wenn er feststellt, was ihr getan habt. Der Streit geht mich zwar nichts an, aber ich werde nicht ruhig zusehen, wie dem Schild eines Ritters Schimpf und Schande angetan wird. Kommt, Vetter, reiten wir weiter. Für solche Damen habe ich nichts übrig.«
Als sie sich dem Waldrand näherten, erschien Sir Marhalt auf einem gewaltigen Streitroß. Er galoppierte auf die Damen zu, die furchtsam aufschrien und stolpernd und strauchelnd auf den Turm zurannten, um sich in Sicherheit zu bringen.
Sir Marhalt blickte seinen besudelten Schild an, hängte ihn sich an die Schulter, und in diesem Augenblick kam einer der Ritter aus dem Turm geritten und rief: »Verteidigt Euch!«
»Mit Freuden«, sagte Marhalt, beugte sich kampflustig über seine eingelegte Lanze, und unter der Wucht des Zusammenpralls taumelte das Pferd des Herausforderers samt ihm selbst in einem wirren Knäuel von Zaumzeug und schlagenden Hufen zu Boden. Bevor Sir Marhalt noch sein Pferd wenden konnte, begann der zweite Ritter aus dem Turm seinen Angriff, doch Marhalt drehte sich im Sattel um, ließ die Lanzenspitze seines Widersachers abgleiten und streckte ihn zu Boden.
Dann drehte Marhalt seinen Schild um, kratzte den Dreck von der weißen Oberfläche und hielt ihn hoch, in Richtung auf den Turm, wo sich die Fräulein zitternd vor Furcht bargen. »Ein Teil des Schimpfs ist gerächt«, brüllte er. »Diesen weißen Schild hat mir eine Dame geschenkt, und ich werde ihn tragen, wie er ist. Selbst beschmutzt ist er noch sauberer, als ihr es seid.« Dann erblickte er die beiden Vettern am Waldrand, näherte sich ihnen vorsichtig und fragte, was sie hierherführe.
Sir Gawain antwortete: »Wir kommen von König Artus’ Hof und sind auf der Suche nach Abenteuern. Könnt Ihr uns einen Vorschlag machen?«
»Nein«, sagte Marhalt, »aber wenn Ihr ein kleines Geplänkel mit Lanzen ein Abenteuer nennt, werde ich nicht nein sagen, wenn ich artig gebeten werde«, und er wendete sein Roß und nahm in der Mitte der Wiese Kampfposition ein.
»Laßt es gut sein«, sagte Ewain zu seinem Vetter. »Er ist ein braver Mann. Was ist dabei zu gewinnen? Wir haben ja keinen Streit mit ihm.«
Sir Gawain blickte zur Sonne hinauf. »Es ist noch nicht Mittag«, sagte er. »Vormittags, wie Ihr wißt, bin ich stark, aber am Nachmittag werde ich schwächer. Es wäre schade, nicht mit ihm zu kämpfen, aber es muß entweder bald geschehen oder gar nicht.«
»Vielleicht können wir wegreiten«, sagte Ewain.
»Nicht, nachdem er uns zum Kampf aufgefordert hat. Wir würden ausgelacht und verspottet werden.«
»Nun denn, Vetter«, sagte Ewain. »Ich bin nicht so stark und erfahren wie Ihr. Laßt es mich als ersten mit ihm aufnehmen. Wenn ich zu Boden gehen sollte, seid Ihr noch da und könnt mich rächen.«
Gawain stimmte ihm zu. »Aber Ihr erlaubt mir schon zu sagen, Ihr zieht da mit einer bedenklichen Einstellung in den Kampf.«
Sir Ewain griff an, und Marhalt stieß ihn vom Pferd und fügte ihm eine Wunde an der Seite zu. Dann trabte er in seine Ausgangsstellung zurück und saß, ein düsterer Anblick, regungslos auf seinem Pferd, den nächsten Gegner erwartend.
Sir Gawain vergewisserte sich, daß sein Vetter nicht schlimm verwundet war, blickte dann zur Sonne hinauf und sah, daß ihm noch Zeit blieb. Freudig klopfte ihm das Herz. Er legte die Lanze ein und trieb sein Pferd zum Traben, dann zu einem Schnellgalopp an, daß die Hufe nur so flogen. Sir Marhalt traf mit ihm auf halbem Weg zusammen. Beide Lanzen trafen die Schildmitte und verbogen sich unter der Wucht des Anpralls. Eschenschaft maß sich mit Eschenschaft, und Gawains Lanze zersplitterte. Samt seinem Pferd wurde er zu Boden geschleudert.
Als Marhalt sein Pferd zum Stehen gebracht und gewendet hatte, sah er Sir Gawain neben seinem gestürzten Roß stehen. Er hatte den Schild vorgelegt, in seiner Hand tanzte das Schwert. Er rief: »Herr Ritter, sitzt ab und kämpft zu Fuß weiter, sonst töte ich Euer Pferd, und Euch bleibt keine Wahl, die Euch Ehre macht.«
Sir Marhalt zog die Zügel an. »Ich danke Euch für die Belehrung«, sagte er. »Ihr sorgt dafür, daß die Gesetze des Rittertums ihren Biß behalten.« Und er ritt zu einem kleinen Baum, lehnte seine Lanze dagegen, stieg langsam aus dem Sattel, band das Pferd an einem Ast fest und lockerte den Sattelgurt. Dann prüfte er umständlich den Schildriemen, zog das Schwertgehenk fester, darauf das
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