Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
Vom Netzwerk:
die Augen zu schließen«, sagte sie. »Aber Ihr müßt Euch angewöhnen, sie offenzuhalten, denn in dem Augenblick, da Ihr blind seid, kann alles mögliche geschehen.«
    Dann zwei weitere Monate und noch einmal zwei. Ewain war mittlerweile hager, muskulös und rank, anzusehen wie ein Eibenstamm. Er sehnte sich abends nicht mehr nach der Erlösung durch den Tod, fürchtete nicht mehr die Zehe zwischen seinen Rippen, die ihn weckte, wenn er nicht bereits aufgestanden war. Jetzt kam er selbst hinter seine Fehler und versuchte sie zu korrigieren, und er schlich auch nicht mehr beschämt zu seiner Schlafstätte, nachdem er ungnädig fortgeschickt worden war.
    »Aus Euch wird nie einer der Männer werden, die wie ein Fels in der Brandung stehen«, sagte das Fräulein. »Da Euer eigenes Gewicht nicht sehr groß ist, müßt Ihr das Gewicht Eurer Gegner für Euch kämpfen lassen. Achtet darauf, daß Eure Lanzen lang sind. Beugt Euch im Sattel so weit nach vorne, wie Ihr könnt. Auf diese Weise gebt Ihr ein kleineres Ziel ab, und wenn – was noch mehr zählt – Eure Lanzenspitze als erste auftrifft, nimmt sie dem Stoß des Gegners die Kraft. Setzt nie Stärke gegen Stärke, sondern studiert Euren Gegner, ehe Ihr den Kampf beginnt. Versucht seine Stärken wie seine Schwächen herauszufinden, damit Ihr jenen ausweichen und diese für Euch nutzen könnt. Unter den Rittern gibt es ein paar Narren, die glauben, sie könnten sich mit einem neuen Wappenzeichen oder einer Rüstung in einer anderen Farbe tarnen. Auch wenn ich einen Mann nur ein einziges Mal kämpfen sah, werde ich ihn immer erkennen, selbst wenn er ein Bierfaß als Harnisch trüge und auf einer Gans auf den Turnierplatz geritten käme.«
    Als das Jahr schon weit vorgerückt war, im neunten Monat, führte die Dame Ewain über den Hügelkamm, wo er noch nie gewesen war, und in einem windgeschützten Tal stießen sie auf ein Dutzend der vierschrötigen, dunkelhaarigen, kriegerisch wirkenden Männer dieses Landstrichs, die unter den Bäumen an einem Fluß Zielscheiben aufgestellt hatten. Sie übten mit Bogen, so groß wie sie selbst, und Pfeilen, deren Schaftenden ihnen beim Spannen der Sehne bis ans Ohr reichten. Die Pfeile flogen mit einem zornigen Schwirren dahin und trafen die Scheiben, obwohl diese klein und weit entfernt waren.
    »Hier«, sagte die Dame Lyne, »seht Ihr die Zukunft – den Tod des Rittertums.«
    »Was redet Ihr denn da, Madame? Das ist doch nur ein angenehmer Sport.«
    »Schon wahr«, sagte sie. »Aber gebt mir zwanzig von diesen sporttreibenden Bauern, und ich bringe mit ihnen zwanzig Ritter zum Stehen.«
    »Das ist doch verrückt!« antwortete er heftig. »Diese Spielzeuge sind für einen gepanzerten Ritter nicht mehr als Insekten.«
    »Meint Ihr? Gebt mir Euren Schild und Euren Brustharnisch.« Und als er beides abgelegt hatte, ließ sie die Rüstung an einen Pfosten hängen, der hundert Schritte weit weg war. »So, Daffyd«, sagte sie, »schieß acht rasch nacheinander ab.«
    Die Pfeile flogen durch die Luft, als wären sie aneinander aufgereiht, und als die Rüstung geholt wurde, sah der Harnisch aus wie ein flach gedrücktes Nadelkissen, und dort, wo die Brust des Trägers gewesen wäre, waren vier der Eisenspitzen in den Panzer eingedrungen.
    »So sieht es für die Ritter aus«, sagte die Dame. »Wenn ich einen Krieg anfangen wollte, würde ich mit diesen Männern in den Kampf ziehen.«
    »Sie würden es nicht wagen. Jedermann weiß doch, daß kein Bauer einem edlen, zum Kämpfen geborenen Ritter standzuhalten vermag.«
    »Kann sein, sie lernen. Ich weiß, daß es für die Kriegskunst ebenso lähmend wäre, sie den Händen von Soldaten anzuvertrauen, wie wenn man die Religion denen von Priestern überantworten wollte. Doch eines Tages wird ein Anführer, der den Sieg über die hergebrachte Form des Krieges stellt, solche Männer ins Feld führen, und dann … dann ist es mit den Rittern vorbei.«
    »Was für eine schreckliche Vorstellung«, sagte Sir Ewain. »Wenn niedrig Geborene imstande wären, sich gegen die aufzulehnen, die zur Herrschaft, zum Bischofsamt, zur Regierung geboren sind, würde ja die ganze Welt auseinanderbrechen.«
    »Ja, das würde geschehen«, sagte sie. »Das wird geschehen.«
    »Ich glaube Euch nicht«, sagte Ewain. »Aber weil wir schon darüber sprechen – was würde danach kommen, Madame?«
    »Nun, danach … danach müßten die Trümmer eben wieder zusammengefügt werden.«
    »Aber von Leuten dieser Art

Weitere Kostenlose Bücher