König Artus
zersplittert?«
»Sie wird nicht zersplittern. Ihr Anblick täuscht. Das Mark besteht aus einem langen stählernen Stab, umhüllt mit ungegerbtem, beinahe ebenso hartem Leder. Nein, sie wird nicht zerbrechen. Und seht her, sie hat zwei Griffe, im Abstand von einem Fuß. Bei einem gewichtigen Gegner faßt sie am hinteren und stoßt als erster zu. So, damit habe ich Euch beigebracht, was ich vermag. Wenn ich auch in Euren Kopf etwas hineingepreßt habe, bin ich zufrieden. Geht jetzt schlafen. Wir reiten morgen fort, allerdings nicht zu früh. Wir haben Zeit, die wir ein bißchen genießen können.«
Als Ewain zu seinem Nachtlager kam, fand er ein mit sauberem Linnen bezogenes Bett vor, das nach getrocknetem Lavendel duftete, und am oberen Ende lag ein Kissen aus den weichsten Gänsedaunen. Vor dem Einschlafen versuchte er noch, sich jede einzelne Lektion dieser erschöpfenden Monate in die Erinnerung zu rufen.
Am folgenden Morgen, nach Morgengebet und Frühstück, legte er seinen Harnisch an und wunderte sich, wie leicht dieser war und wie ungehindert er sich darin bewegen konnte.
Dann kam die Dame Lyne zu ihm heraus, und verblüfft stellte er fest, was für eine Verwandlung mit ihr vor sich gegangen war, denn nun wirkte sie fraulich, beinahe wie ein junges Fräulein. Ihr Haar war kunstvoll aufgesteckt, die Augenfarbe nicht mehr das Gelb des Adlers, sondern ein weiches Gold, und sie bewegte sich mit dem graziösen, sicheren Schritt einer Edelfrau. Ihr Kleid war violett, mit goldenen Borten gesäumt, und darüber hing ein purpurroter Reisemantel mit Futter und Kragen aus Eichhörnchenfell. Und auf dem Kopf trug sie eine kleine Krone, wie eine Fürstin. Sie ritt einen Zelter, dessen Fell wie mattes Gold schimmerte. Zwei in Leder gewandete Gefolgsleute saßen hinter ihr auf struppigen Ponys. Die entspannten Bogen in ihren Händen wirkten wie lange Stäbe, und über der linken Schulter waren die gefiederten Enden von gebündelten Pfeilen zu sehen.
»Reitet voran!« sagte die Dame.
»In welche Richtung, Madame?«
»Den Weg, den wir gekommen sind«, antwortete sie.
Sie ritten durch nasse Nebelschwaden, die wie Stoffetzen über das weite Hügelland geweht wurden. Die Schäfer sahen sie vorbeikommen und riefen ihren Landsleuten melodische Grüße zu.
Als sie am Fuß der Berge in flaches Land kamen, durchquerten sie auf einer Furt den Fluß und ritten in den Wald hinein, abweisend und von einer unheimlichen Düsternis im Vorfrühling. Eichen und Birken mit kahlem Geäst wie Schiffsmasten, deren Takelage vor dem Sturm eingeholt wurde – ein trister Weg in einem tristen Monat.
»Kein Tag, der Abenteuer verheißt, Madame.«
Sie war den langen, gewundenen Weg von den Hügeln herab schweigend geritten, nun aber lachte sie leise. »Abenteuer kommen oder bleiben aus, wie es ihnen beliebt«, sagte sie. »Wenn die Sänger Gäste melden, strotzt ein Tag von Abenteuern wie eine pralle Traube von Beeren. Aber ich bin schon wochenlang geritten, ohne daß ein größeres Wunder geschah als ein geschwollenes Gelenk nach einer nassen Nacht.«
»Sind wir zu einem Abenteuer unterwegs, das Euch bekannt ist?«
»Nicht weit von hier wird ein Turnier abgehalten, früh im Jahr, um gute Kämpen anzulocken. Später im Jahr, wenn der treibende Geist der Ausfahrt zu sprießen beginnt, ziehen die großen Ritter zu bedeutenderen Kampfstätten. Ich hoffe, Ihr bekommt Gelegenheit, Eure Arme noch vor dem Turnier zu erproben.«
Und noch während sie sprach, kam ein gepanzerter Ritter rasselnd hinter ihnen hergeritten und rief Ewain zu: »Kommt, tut einen Gang mit mir!«
Sir Ewain sah die armselige, ausgebesserte, mit Rost bedeckte Rüstung des Ritters und sein Pferd an, das wegen einer Verstauchung hinkte. Er bemerkte, daß der Mann unsicher im Sattel saß, als wäre er mit Nadeln gespickt. Einen Augenblick lang war er unschlüssig und liebkoste seine Lanze, doch dann sagte er: »Edler Ritter, erlaubt mir freundlicherweise, mich der Aufforderung mit Ehren zu entziehen, denn ich will Euch sagen, daß ich eidlich gelobt habe, erst mit einem bestimmten Gegner zu kämpfen. Ich habe geschworen, keine Waffe zu ziehen, ehe ich ihn gefunden habe.«
Der fremde Ritter sagte: »Aber gewiß, junger Herr, ich will Euren Eid respektieren und Euch Eurer Wege ziehen lassen, da mir meine Ritterehre teuer ist.«
»Das ist edel gesprochen, Sir. Ich danke Euch.«
Der fahrende Ritter entbot mit einer Berührung seines Visiers der Dame seinen Gruß und ritt mit
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