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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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sich vor Lachen biegt.«
    »Und wenn sie nicht fidel ist?« fragte die Dame Lyne.
    »Nun ja, wir haben uns angewöhnt, uns in einem solchen Fall zu verdrücken. Sie ist eine sehr willensstarke Person.«
    »Hoffentlich hat sie Euch nicht ihre Art zu kämpfen beigebracht, oder?«
    »Wie meint Ihr das, Madame?«
    »Weicht der Frage nicht aus, junger Mann. Ich meine die Zauberei, und Ihr wißt, daß ich die Zauberei meine.«
    »Oh! Sie wendet nie Zauberkünste an. Sie hat mich sogar davor gewarnt.«
    »Hat sie das? Gut so.« Das Fräulein streckte sich auf dem Boden aus, umhüllte sorgfältig die Füße mit dem Mantel und kuschelte die Schultern darunter. »Ihr bekommt sicher den König oft zu sehen. Erzählt mir über ihn. Wie ist er, wenn er nicht auf dem Thron sitzt?«
    »Nicht anders, Madame. Er sitzt immer auf dem Thron, außer …«
    »Außer was?«
    »Ich sollte es nicht erzählen.«
    »Das müßt Ihr selbst beurteilen. Ist es etwas für ihn Nachteiliges?«
    »Nein. Nur verblüffend, weil er doch König ist.«
    »Ihr habt also etwas Menschliches an ihm gesehen.«
    »Ja, so könnte man es wohl bezeichnen. Eines Abends, als meine Frau Mutter sehr fidel war und wir uns alle vor Lachen bogen, trat ein Bote zu ihr, und sie wurde krebsrot vor Zorn. Natürlich verdrückte ich mich, wie ich es mir angewöhnt hatte, und ging auf die Burgmauer, um zu den Sternen hinaufzuschauen und den Wind im Gesicht zu spüren.«
    »Wie Ihr es immer tut.«
    »Ja – aber woher wißt Ihr das? Nun, und dann hörte ich ein Geräusch wie das Wimmern eines hungrigen Welpen oder wie ein Schmerzensschrei, der zwischen geschlossenen Fingern hindurchdringt. Ich ging leise darauf zu und sah im Schatten des Turms den König – und er weinte und preßte sich die Hände auf den Mund, um das Weinen zurückzuhalten.«
    »Und Ihr habt Euch verzogen, ohne etwas zu sagen?«
    »Ja, Madame.«
    »Gut so«, sagte sie. »Das war schicklich gehandelt.«
    »Es hat mich verblüfft, Madame – und ist mir zu Herzen gegangen. Der König darf doch nicht weinen, er ist ja der König.«
    »Ich verstehe. Sagt niemand anderem etwas davon. Ich werde es auch nicht weitererzählen. Aber solltet Ihr jemals träumen, ein König zu sein, wäre es nicht schlecht, daran zu denken. Legt Euch jetzt zur Ruhe, mein Freund. Wir reiten morgen in der Frühe weiter.«
    Und mit »Frühe« meinte sie das erste Erblassen der Sterne in ihrem milchigen Licht. Lyne rüttelte Sir Ewain aus seinem schweren Schlaf. »Los, aufstehen«, sagte sie. »Sprecht Euer Gebet.« Sie ließ einen Dachziegel aus Brot auf seine Brust fallen. Und während sie sich zum Weiterreiten fertigmachten, klagte sie verdrossen: »Rost auf den Kugeln und Pfannen meiner Gelenke. Nicht daß man früh müde wird, zeigt das Alter an, sondern das leichte, schmerzhafte Knirschen am Morgen.« Der junge Ewain stolperte blind und schlaftrunken zu seinem unwilligen Roß, um es zu satteln. Und als er die Rüstung anlegte, wollten die Schnallen und Riemen seinen Fingern nicht gehorchen. Er und das Fräulein waren schon ein gutes Stück weit gekommen, als das schwache, graue Morgenlicht den Weg erkennen ließ und den Bäumen rechts und links ihre Form zurückgab.
    Sie durchquerten einen breiten, seichten Fluß, als die Sonne hinter ihnen emporstieg, und kamen in offenes Gelände, das zu Hügeln, bewachsen mit Stechginster, anstieg, und dahinter kamen weitere Hügel und noch mehr Hügel – ein felsiges Land, das das Dunkel der Nacht festzuhalten schien. Schafe hoben den Kopf und blickten kauend zu ihnen her, senkten ihn dann wieder und grasten weiter, und auf jedem Hügelkamm stand die dunkle Gestalt eines Hirten, der neidvoll hersah, und neben ihm jaulte leise sein struppiger Hund, der die Wünsche seines Herrn wissen wollte.
    »Sind das Menschen oder nicht?« fragte Ewain.
    »Manchmal das eine, manchmal das andere, zuweilen beides. Nähert Euch ihnen nicht. Sie haben Stacheln.« Das Fräulein war an diesem Morgen wortkarg, doch als das Pferd hangaufwärts langsamer wurde, ließ sie Ungeduld erkennen. »Treibt Euer Roß an, junger Mann«, sagte sie gereizt. »Die Hügel werden uns nicht entgegenkommen.« Von einer Rast wollte sie nichts wissen – nur das Pferd durfte an einem kleinen, klaren Bach saufen, der talwärts tollte.
    Es war in der Mitte des Nachmittags, als sie eine letzte lange Anhöhe hinaufritten und unterhalb der Hügelkuppe zu einer Mulde gelangten, die allen Augen außer denen der Vögel verborgen war. Darin

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