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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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gesehen, die bei einer Hinrichtung drei Schläge brauchten, obwohl der Hals des Opfers vor ihnen auf einem Holzblock lag.
    Der Seher hatte genug Anstand, den Körper fallen zu lassen, nachdem der Kopf zu seinen Füßen gelandet war. Aber die trüben Augen sahen mich noch immer an. Mit Magie hat das nichts zu tun. Ein abgetrennter Kopf kann einen noch eine ganze Minute lang anstarren, wenn man ihm Gelegenheit dazu gibt, doch angeblich bringt es Pech, das Letzte zu sein, was er sieht.
    Ich nahm den Kopf an einem weißen Haarbüschel und hielt ihn auf Augenhöhe. »Interessant. Du kannst also sagen, was ich bin und in den nächsten Jahren sein werde, aber meine
Klinge hast du nicht kommen sehen?« Ich sprach laut, für das Publikum. »Dieser Scharlatan hat jahrelang von eurem Aberglauben gelebt, und vom Aberglauben von Leuten wie euch.«
    Und leise, nur für den Weissager und jemanden, der mich durch seine Augen sah, für all jene, die diesen Moment über die Spanne der Jahre vor meiner Geburt beobachteten: »Ich schaffe mir meine eigene Zukunft. Tot zu sein, gibt dir nicht recht. Wir alle sterben.«
    Die Lippen lächelten und zuckten. »Toter König«, sagten sie lautlos, und wo ich den Kopf berührte, fühlte ich eine Art Krabbeln auf der Haut, wie von einer Spinne, die mir über die Hand kroch.
    Ich ließ den Kopf fallen und trat ihn in die Menge. Ich sage »trat«, aber eigentlich ist es keine besonders gute Idee, einen Kopf zu treten. Das habe ich vor Jahren gelernt, eine Lektion, die mich zwei gebrochene Zehen kostete. Man sollte ihn besser mit der Seite des Fußes schieben. Er rollt, was bedeutet, dass man nicht viel Kraft braucht. Das Problem mit einem abgetrennten Kopf besteht darin, dass sein Eigentümer kein Interesse mehr daran hat – und auch gar nicht dazu imstande ist –, die Wucht des Tritts zu mildern. Wenn man einem Lebenden an den Kopf tritt, was ab und zu geschieht, so ist er normalerweise bemüht, dem Tritt auszuweichen, was den Kontakt weniger heftig macht. Ein abgetrennter Kopf hingegen ist eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Totlast, selbst wenn er einen anstarrt.
    Und das wär’s mit meinen Erkenntnissen und Einsichten in Bezug auf das Treten von abgeschlagenen Köpfen. Es ist zugegebenermaßen mehr, als die meisten Leute über dieses Thema anzubieten haben, aber es gab Mayas, die weitaus mehr darüber wussten. Was natürlich auf einem ganz anderen Blatt steht.
    Makin schloss seine Satteltaschen und trat an meine Seite. »Das war vermutlich ein bisschen zu rau«, sagte er. »Du hast mich gebeten, dich darauf hinzuweisen.«
    »Scheiß drauf«, erwiderte ich.
    Ich winkte den Brüdern zu. »Reiten wir.«
     
    Über fast hundert Meilen hinweg folgten wir erneut dem Nordweg, diesmal in umgekehrter Richtung. Wir kamen durch die Herzogtümer Parquat und Bavar, wo die meisten Reisenden willkommen sind, solange sie nicht vorhaben, auf Dauer zu bleiben. Selbst Leute wie uns tolerierte man dort, vorausgesetzt, sie stiegen nicht von ihren Pferden ab.
    Die kleine Stadt Hanver begrüßte uns mit bunten Fähnchen. Sie gehörte zu den ruhigen, friedlichen Orten, die ich bei der Reise nach Norden erwähnt habe, vom Krieg unberührt. Hanver liegt eingebettet in idyllischem Ackerland, das in viele einzelne Felder unterteilt ist.
    »Sieht nach einem heiligen Tag aus.« Kent richtete sich in den Steigbügeln auf. Er mochte ein finsterer und tödlicher Halunke sein, aber Kent war auch fromm. Bei ihm handelte es sich um die gute Art von Frommheit, beziehungsweise um die bessere.
    »Und wenn schon«, brummte Rike. Er mochte die Feste lauter und wilder, und am liebsten waren ihm jene, die in einer wüsten Schlägerei endeten.
    »Vermutlich wird gesungen«, sagte Sim, der Musik mochte.
    Und so, ohne groß darauf zu achten, dass ich König von Renar war und sie nicht mehr als schäbige Bauern, wenn man’s genau nahm, führten mich die Brüder nach Hanver. Wir ritten über die Hauptstraße, den Bewohnern entgegen, den Einheimischen mit ihren geschrubbten Gesichtern und ihrem Sonntagsstaat.
Die Kinder trugen kleine Stöcke mit Wimpeln, und einige von ihnen knabberten an Zuckeräpfeln. Die Brüder wandten sich in verschiedene Richtungen. Sim machte sich zur Kirche auf, Grumlow zur Schmiede. Rike gab seine Zügel einem Jungen vor der ersten Taverne. Der wählerischere Row entschied sich für die zweite Taverne, und Kent lenkte sein Pferd zum Stall, damit sich dort ein geübtes Auge Hellax’ rechtes Vorderbein

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