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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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Gesellschaft?«
    Ich beobachtete, wie die Scharfrichter das erste Mädchen zum Galgen zerrten. Es leistete Widerstand, was bedeutete: Es stand keine reibungslose Hinrichtung bevor; zuerst musste vielleicht ein wenig geschnitten werden. Das Mädchen setzte
sich mit erstaunlich viel Kraft zur Wehr – man konnte sehen, wie sich in den Armen des Mannes die Muskeln spannten.
    »Ist es noch zu früh für Blut, Sir Makin?« Eigentlich galt der Spott gar nicht ihm, sondern dem Etwas – was auch immer es war, das auch meinem Mund einen bitteren Geschmack gab.
    Makin knurrte. »Nenn mich einen Weichling, aber nach so etwas ist mir nicht zumute. Nicht, wenn es dabei um Kinder geht.«
    Ich glaube, ihm war nie danach zumute, nicht bei Kindern und nicht bei Männern, obwohl er Teil der Dunkelheit unserer Bruderschaft gewesen war, in den frühen Jahren, als er geglaubt hatte, nur er könnte mich beschützen.
    »Aber es sind Hexen.« Noch mehr Spott, der mir selbst galt. Das waren sie vermutlich, Hexen. Ich hatte Hexen verschiedener Art kennengelernt, und mit jedem verstreichenden Jahr schien mehr Magie in die Welt zu strömen. Durch diese oder jene Person fand sie ihren Weg, als wären sie Risse im Gewebe unserer Tage. Sicher hätte der Priester auch mich zum Galgen bringen wollen, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass ich mit Toten sprechen konnte, oder wenn sein Blick auf die schwarzen Adern meiner Brust gefallen wäre. Ja, er hätte mich zum Galgen gerufen, mit genug Mut. Die Frau und ihre Töchter mochten Hexen sein, aber vielleicht hatten sie auch nur gewagt, den Priestern zu widersprechen, oder etwas zu erfinden. Wenn Rom etwas hasste, so waren es Erfindungen. Man ging freizügig mit irgendwelchen Zaubern um, und ein Priester befahl, dass man bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Doch wehe, man fand einen Trick für besseren Stahl oder entdeckte einen Weg, die Alchimie der Erbauer teilweise nachzuahmen  – dann verbrachte ein von Rom beauftragter Experte eine ganze Woche mit langsamem Töten.
    Makin spuckte erneut, schüttelte den Kopf und ging fort. Damit urteilte er über mich. Über seinen verdammten König! Ich warf den Zorn ab, er bot einen Ausweg, ich konnte mich darin verstecken. Aber es war nicht Makin, der mich zornig gemacht hatte.
    Sollten die Leute zu Gott beten, ich hatte nichts dagegen. Vielleicht kommt etwas Gutes dabei heraus, wenn es einem darum geht, um Gutes. Lockt Gott in Kirchen, wenn ihr wollt, und tragt ihm dort eure Klagen vor. Aber Rom? Rom ist eine gegen uns benutzte Waffe, ein gezuckertes Gift für hungrige Menschen.
    Oben auf der Plattform schrie das Mädchen, als sie ihm die Kleidung vom Leib rissen. Ein Mann näherte sich mit einem Stock, der mit hübsch glitzernden metallenen Zähnen besetzt war.
    »Es ist der Bischof, nicht wahr?« Ich fand Kent neben mir, seine Hand auf meiner, als sie die Klinge ziehen wollte, ohne mich vorher zu fragen. Mit Kents Hilfe gelang es mir, das Schwert in der Scheide zu lassen.
    »Murillo«, pflichtete ich ihm bei. Nur wenige Menschen wagten es, Bischof Murillo in meiner Nähe zu erwähnen. Noch immer bedauere ich die Nägel. Ich hatte sie ihm ganz langsam in den Kopf gehämmert, aber der Tod war trotzdem viel zu schnell für ihn gekommen.
    »Ein schwarzer Tag«, sagte Kent, und ich wusste nicht, ob er von heute oder von damals sprach. Ob fromm oder nicht, er hatte mich einmal wegen des päpstlichen Neffen getadelt.
    Ich nickte. Für mich gab es bessere Gründe als nur Murillo, die Kirche von Rom zu hassen, aber der Bischof hatte dem Hass eine besondere Schärfe gegeben. »Was ist mit Hellax?«, fragte ich.
    »Sie hat einen Umschlag bekommen und ist bald wieder in Ordnung«, sagte Kent.
    Das Mädchen heulte wie die Verdammten, obwohl es den Stock nur gesehen, nicht aber gefühlt hatte.
    »Zum Reiten bereit, ja?«, fragte ich.
    Kent sah mich an. »Jorg!«
    Wir stecken voller Widersprüche, wir alle. Es sind diese Gegenkräfte, die uns Stärke geben, wie bei einem Bogen oder einem Gewölbe, in dem jeder Block auf den nächsten drückt. Gebt mir einen Mann, dessen Teile alle in einer Linie sind, alle in Harmonie vereint, und ich zeige euch Wahnsinn. Wir wandeln auf einem schmalen Pfad, mit Irresein auf beiden Seiten. Jemand ohne Gegensätze, die ihm Balance geben, kommt bald vom Weg ab.
    »Suchen wir uns eine Stelle, von der wir einen besseren Blick haben.« Ich trat durch die Menge. Die meisten Leute machten mir Platz; einigen musste ich wehtun. Kent blieb dicht

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