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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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ansah.
    »Offenbar sind mehr als nur Lieder geplant.« Makin deutete nach vorn zum Hauptplatz. Eine Plattform aus Holz war dort errichtet worden, aus frischem, noch harzendem Holz, und darauf erhob sich ein Galgen mit drei baumelnden Stricken.
    Wir banden unsere Pferde an, und Makin warf dem Wachjungen eine Kupfermünze zu.
    »Kirchenhinrichtung«, sagte Makin. Eine weiße Fahne wehte an einer Ecke der Plattform, darauf mit Tinte das heilige Kreuz und der Pokal.
    »Hm.« In der Hohen Burg hatte ich für Ökumenisches kaum Begeisterung aufbringen können, und auf der Straße verbreitete Roms Kirche ihr Gift ohne jede Zurückhaltung. Nur in diesem Zusammenhang habe ich den Einfluss meines Vaters jemals für mäßigend gehalten.
    Wir standen mit den anderen im Sonnenschein und ließen uns von einem umherwandernden Verkäufer gebratenes Hammelfleisch an Spießen geben. Ein Bierjunge bot uns Arac in Zinnkrügen an, ein dunkles und bitteres lokales Gebräu, stärker als Wein. Der Junge wartete, bis wir die Krüge geleert hatten, nahm sie entgegen und ging mit ihnen weiter. Für die Kirche habe ich keine Zeit übrig, aber warum eine gute Hinrichtung versäumen? Vor Jahren hatten wir gesehen, wie Bruder Merron aufgehängt worden war, und Row hatte gesagt:
»Eine gute Hinrichtung braucht keinen guten Grund.« Wie wahr, wie wahr.
    Zuerst hörten wir den Gesang. Vier Chorknaben stimmten ihn an, und vermutlich waren sie nicht kastriert, nicht in einem so einfachen Ort wie Hanver. Viel zu sehen gab es nicht, außer einem silbernen Kreuz hoch an einem Stab. Dann teilte sich die Menge, und die Jungen in weißen Kutten sangen noch lauter. Ich bemerkte Sim weiter hinten, wie seine Lippen die Worte formten, obwohl er kein Latein sprach und nur mit dem Klang vertraut war.
    Dann sah ich die Priester und ihr Zeichen: zwei schwarze Krähen mit dem heiligen Violett auf ihrer Brust; sie schwangen Weihrauchgefäße. Ihre Gesichter waren leer, und sie ähnelten sich wie Brüder, schienen nicht älter zu sein als Makin. Ihnen folgten, auf einem Karren und an Händen und Füßen gefesselt, eine Mutter und zwei Töchter, zehn oder zwölf, schwer zu sagen, bleich vor Entsetzen. Ein älterer Priester bildete den Abschluss, mit purpurner Seide, die sich durch das Schwarz seiner Soutane zeigte, ein streng wirkender Mann, aber nicht unattraktiv, mit spitz angesetztem silbergrauen Haar, das ihm eine gewisse Gravität verlieh.
    »Ich brauche ein ordentliches Bier.« Makin spuckte. »Das Arac hat einen bitteren Geschmack hinterlassen.«
    Vielleicht benötigte eine gute Hinrichtung tatsächlich keinen guten Grund, aber mir schien, dass keine von der Kirche durchgeführte Hinrichtung gut genannt werden konnte. Ich hatte Pater Gomst den größten Teil meines Lebens verachtet, für all die Lügen und auch für seine Schwäche. Jene Nacht der Dornen und des Regens hatte seine Lügen gezeigt, so klar, als hätte ein Blitz sie in einem dunklen Zimmer gefunden. Aber früher oder später wären sie ohnehin zum Vorschein gekommen.
Gerechterweise muss man sagen, dass Gomsts Art von lahmem Optimismus und Gerede von Liebe kaum etwas mit Roms Doktrin zu tun hatte. Mein Vater würde nicht zulassen, dass die Hand des Papstes bis in seine Burg reichte.
    Jubelrufe erklangen in der Menge, als die Frau und ihre Töchter recht unsanft auf die Plattform gebracht wurden. Doch die meisten Zuschauer blieben stumm und beobachteten das Geschehen mit steinernen Mienen, ohne Freude.
    »Weißt du, was die Kirche von Rom mit der Kirche, die vor ihr kam, gemeinsam hat, mit dem Glauben, den die Päpste in der Zeit vor den Erbauern vertraten, in all den Jahrhunderten vor ihnen?«, fragte ich.
    Makin schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Es weiß auch sonst niemand«, sagte ich. »Papst Anticus nahm alle Bibeln, die die Tausend Sonnen überstanden hatten, und verstaute sie in tiefen Gewölben. Alle Bücher der Doktrin, alle Aufzeichnungen des Vatikans. Sie alle. Er hätte sie verbrennen können, aber stattdessen versteckte er sie. Die Gelehrten wissen darüber nur, dass niemand etwas wissen soll.«
    Der Priester auf der Plattform marschierte an ihrem der Menge zugewandten Rand auf und ab, erzählte mit lauter Stimme von Bosheit, Frevel und Hexerei. Weiße Speichelspritzer fingen den Sonnenschein ein, als sie über die Köpfe der nächststehenden Bauern hinwegflogen.
    »Ich habe dich nie für einen Theologen gehalten, Jorg.« Makin wandte sich ab. »Leistest du mir bei dem Bier

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