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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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an die Lippen – einen Löffel gab es nicht. Die Frau ging, als ich zu schlürfen begann, mir dabei den Mund verbrannte und kaum darauf achtete. Eine Zeit lang schlürfte ich einfach nur und beobachtete, wie dort der Staub tanzte, wo Finger aus Licht durch die Fensterläden tasteten. Ich mampfte Kaninchenbrocken, kaute Knorpel und schluckte Fett. Es ist angenehm, mit leerem Kopf zu essen.
    Schließlich stand ich erneut auf, und diesmal schienen meine Beine etwas stabiler zu sein. Ich klopfte mich ab. Der alte Dolch befand sich an meiner Hüfte, und der Beutel am Gürtel enthielt einen Klumpen, der sich als Makins Nelkenwurz herausstellte. Ich sah mich noch einmal nach dem Schwert um und ging dann zur Tür. Der Tag erschien mir ein wenig zu hell, und der Wind war kühl, trug mir den Geruch von altem Feuer entgegen. Ich streckte mich und blinzelte. Abgesehen von der Hütte, die ich gerade verlassen hatte – offenbar ein Stall für Tiere –, lag alles in Trümmern. Zwei Häuser, die Mauern eingestürzt, die Balken verkohlt, einige niedergerissene Zäune und
Pferche, die wie von Pferdehufen zertrampelt aussahen. Die Frau, die mir den Teller gebracht hatte, hockte bei den Resten des nächsten Hauses und kehrte mir den Rücken zu.
    Ich musste plötzlich pinkeln und stellte mich an die Hütte. Urin floss und schien mit dem Fließen gar nicht aufhören zu wollen. »Jesus! Habe ich eine ganze Woche geschlafen?«
    Ein kluger Mann hat einmal gesagt: »Scheiß nicht dorthin, wo du isst.« Vielleicht Aristoteles. Auf der Straße ist das eine wichtige Regel. Erleichtere dich, wo du willst. Zieh jeden Tag weiter und lass die Scheiße – alle Arten von ihr – hinter dir zurück. In der Burg habe ich einen Aborterker. Um ganz ehrlich zu sein: Eigentlich ist es nur ein Loch in der Wand, durch das man kacken kann. In einer Burg scheißt man, wo man isst, und deshalb sollte man aufpassen, damit man die Dinge nicht durcheinanderbringt. Das habe ich in den letzten drei Monaten als König gelernt.
    Endlich war ich fertig mit dem Pinkeln. Musste genug für eine Woche gewesen sein.
    Es ging mir besser. Gut. Ich gab einem herzhaften Gähnen nach. Das Land erstreckte sich flach nach Norden, und die Matteracks bildeten eine gezackte Linie im Süden. Wir hatten das Hochland verlassen, oder beinahe. Ich streckte mich erneut und schlenderte zu der Frau. »Haben meine Männer das hier getan?« Mit krauser Stirn sah ich mich um. »Wo zum Teufel sind sie überhaupt?«
    Sie drehte sich um, das Gesicht voller Falten, die Augen tief in den Höhlen liegend. »Soldaten von Ankrath haben es getan.« Ein Kind hing in ihren Armen, schlaff und grau, ein Mädchen, etwas sechs oder sieben.
    »Ankrath?« Ich wölbte eine Braue und betrachtete das Mädchen. »Sind wir der Grenze so nahe?«
    »Fünf Meilen«, erwiderte die Frau. »Sie sagten, wir könnten hier nicht leben. Das Land sei annektiert. Dann setzten sie die Häuser in Brand.«
    Annektiert. Das ließ es leise in meinem Hinterkopf klingeln. Ein Disput um die Grenze. Auf den ältesten Karten reichte Lord Nossars Besitz bis hierher.
    Ich konnte jetzt das Erbrochene riechen, bitter in der Morgenluft. Etwas davon klebte dunkel im Haar des Mädchens.
    »Sie haben deinen Mann getötet?«, fragte ich und überraschte mich selbst. Solche Dinge wecken nicht genug Interesse in mir, als dass ich Worte an sie vergeude. Ich gab dem Schlag an den Kopf die Schuld.
    »Sie töteten unseren Jungen«, sagte die Frau und sah an den verkohlten Balken vorbei, auch an mir und dem Himmel. »Davie lief schreiend und hustend nach draußen, vom Rauch blind. Kam einem Soldaten zu nahe. Er schlug zu, wie beiläufig, als wollte er einen störenden Zweig beseitigen, und plötzlich war der Leib meines Jungen offen. Seine Gedärme …« Sie blinzelte und sah auf das Mädchen hinab. »Er schrie noch immer. Wollte einfach nicht aufhören zu schreien. Ein anderer Soldat schoss ihm einen Pfeil in den Hals.«
    »Und dein Mann?« Ich hatte nicht nach dem Jungen gefragt. Jene Geschichte hatte ich nicht von ihr gewollt. Und das Mädchen sah zu mir hoch, ohne Interesse und ohne Hoffnung.
    »Ich weiß nicht.« Die Frau hatte eine graue Stimme. Eine solche Stimme bekommt man, wenn alle Gefühle verbrannt sind. »Er lief nicht zu Davie, er hielt ihn nicht in den Armen. Hatte zu viel Angst, dass ihn die Soldaten ebenfalls niederstrecken würden.« Das Mädchen hustete. Ein feuchter Husten, es klang gar nicht gut. »Jetzt weint er die ganze

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