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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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die oft das ganze Leben betrifft. Man wartet auf eine gute Gelegenheit, und dann wettet man sein Leben darauf. Wenn man gegen einen Mann in Plattenpanzer antritt, braucht man seine ganze Kraft. Jeden einzelnen Muskel. Damit genug Schmerz das Metall durchdringt, um den Gegner zu beschäftigen, während man neue Kraft für den nächsten Hieb sammelt. Ein Sprung nach vorn kann verlockender sein, erfordert jedoch Präzision. Man muss die Lücke in der Rüstung des Gegners finden und die Klinge hineinstoßen, bevor er die Lücke bei einem selbst entdeckt und sie zum Ziel seines Schwertes macht.
    Ich holte aus, nicht um ihn zu verletzen, sondern damit sich die Klingen trafen. Orrins Schwert sah rauchig aus, wie von etwas Dunklem im Erbauer-Stahl. Das Klirren hallte laut und weit über die Hänge. Irgendwie rollte der Fürst sein Schwert in dem Augenblick, als die Klingen aufeinandertrafen, und fast wäre es ihm gelungen, mir damit die Waffe aus der Hand zu reißen. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich setzte ihn unter Druck, mit kurzen, schnellen Hieben, die seine Hände ermüden und ihn davon abhalten sollten, derart trickreich zu sein. Es fühlte sich an, als hackte ich nach einer steinernen Säule. Schon nach kurzer Zeit taten mir die Hände weh, und der Schmerz kroch in die Handgelenke.
    »Du bist besser, als ich dachte«, sagte Orrin.
    Und er griff an: ein Sprung, dann ein Hieb, und noch ein Sprung. Kombinationen so schnell, dass ihnen meine Gedanken kaum folgen konnten.
    Wir üben, damit unsere Muskeln lernen. Damit unsere Augen zu Armen und Händen sprechen, ohne den Umweg über das Gehirn und die Notwendigkeit, zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen. Es ist wie das Lernen von Noten für
eine Harfe. Zuerst durchdenkt man es gründlich, A, C, C, D … und wenn die Finger schließlich Bescheid wissen, hat man die Noten vergessen.
    Mein Schwertarm bewegte sich, ohne das Gehirn zu fragen.
    »Wirklich nicht übel«, sagte Orrin.
    Aber wenn man versucht, das Musikstück schneller zu spielen, und schneller, und noch etwas schneller … Irgendwann zögern die Finger. Was kommt jetzt?, wollen sie wissen? Was kommt als Nächstes?
    Eine dicke Eisenstange an den Kopf, das schien als Nächstes zu kommen. So fühlte sich die flache Seite des Schwertes an. Ich stieß etwas hervor, das zur einen Hälfte ein Fluch und zur anderen ein Ächzen war, spuckte Blut und ging so zu Boden, als hätte der Fürst alle meine Fäden durchgeschnitten.
    »Gib auf.« Es hörte sich an, als riefe er vom Ende eines langen Tunnels.
    »Scheiß drauf.« Mehr Blut, vielleicht auch einige Zahnsplitter.
    »Deine letzte Chance, Jorg«, sagte Orrin. Die Schneide seines Schwertes ruhte kalt an meinem Hals.
    »Er gibt auf.« Makin stand am Ende desselben Tunnels. »Er gibt auf.«
    »Von wegen.« Himmel und Boden trennten sich voneinander. Ich konzentrierte mich auf den dunklen Fleck, der vielleicht Orrin war.
    »Gib auf«, sagte er noch einmal. Wärme rann mir dort über den Hals, wo scharfer Stahl die Haut aufgeritzt hatte.
    Ich brachte es fertig, zu lachen. »Ihr habt gesagt, dass Ihr mich nicht töten würdet, Fürst von Pfeil. Es liegt nicht in Eurem Interesse. Warum also sollte ich aufgeben?« Ich spuckte erneut. »Wenn Ihr jemals die Grenzen meines Landes mit
einem Heer erreicht … Dann werde ich entscheiden, was es zu tun gilt.«
    Orrin wandte sich voller Abscheu ab.
    »Der Hohe Pass«, sagte ich. »Ich erlaube Euch, durch den Hohen Pass zu reiten. Beglückt den Grafen mit Eurem Moralisieren. So viel habt Ihr verdient.« Ich versuchte aufzustehen, aber es gelang mir nicht. Makin half mir auf die Beine.
    Wir beobachteten, wie die Ritter fortritten. Der Bruder, Fürst Egan, warf mir einen bösen Blick zu, als er vorbeikam. Orrin drehte nicht einmal den Kopf.
    Wir sahen ihnen nach, bis das letzte Pferd hinter der Anhöhe verschwunden war.
    »Wir brauchen ein größeres Heer«, sagte ich.

    Sir Makin entspricht fast dem legendären Bild des stattlichen
Ritters: dunkle Locken, groß, die Statur eines Schwertkämpfers,
die Augen schwarz, seine Rüstung immer sauber und poliert,
die Klinge scharf. Nur seine dicken Lippen und die spitze Nase
lassen ihn nicht ganz den Traum aller Frauen sein. Sein Mund
ist zu ausdrucksvoll, sein Gesicht zu streng. Auch in anderer
Hinsicht ist Sir Makin ein »fast«. Fast ehrenhaft, fast ehrlich.
Seine Freundschaft aber kennt kein Fast.

7
Vier Jahre zuvor
    Wir waren zwei Stunden geritten, seit sich der Fürst

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