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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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einen großen Unterschied bewirken.
    Hobbs hatte für seine Skepsis jedenfalls gute Gründe. Vor uns verengte sich das Tal zu einem Engpass mit steilen Wänden, und dort würden dreihundert Männer nur noch so langsam vorankommen, dass die Schwerter von Pfeils Soldaten nach der langen Jagd vielleicht doch noch Blut fanden. Jenseits davon kamen die Schneegrenze und der lange Aufstieg zum Pass des blauen Mondes, der selbst um diese Zeit des Jahres noch blockiert war. Hinter und unter uns füllten Soldaten das Tal, eine Streitmacht mehr als zehnmal so groß wie unsere, ein Teppich aus Männern, der ständig in Bewegung war. Sonnenschein spiegelte sich auf Helmen, Schilden und den Spitzen von Schwertern und Speeren.
    »Warten wir auf Coddin«, sagte ich. Sogar Coddin brauchte eine Erneuerung seines Glaubens.
    »Sire.« Hobbs neigte den Kopf, nahm den Bogen in die Hand und wartete, der Atem schwer in seiner Brust. Ein guter Mann, oder wenn nicht gut, so doch solide. Mein Vater hatte ihn aus der königlichen Wache für die Waldwache ausgewählt, nicht als Strafe, sondern als Belohnung für die Wache.
    Ich wandte den Blick von der brodelnden Kriegermasse weiter unten ab und richtete ihn auf die hohen Gipfel, mit ihren weißen Gewändern und ihrem Frieden. Die Schneegrenze wartete nicht weit über dem Engpass auf uns. Der Wind trug frischen Schnee, einen dünnen Schleier aus Eiskristallen. Niemand von uns fühlte die Kälte. Zehntausend Bergstufen brannten in meinen Beinen, ließen sie zittern und erwärmten das Blut so sehr, dass es fast kochte.
    Im Westen sah ich Gottes Finger. Die Müdigkeit in mir war
nichts im Vergleich mit meiner Erschöpfung an dem Tag, als ich mich auf die Spitze jenes Fingers gezogen und wie tot unter einem besonders blauen Himmel gelegen hatte. Stundenlang hatte ich dort gelegen, und als ich schließlich aufgestanden war, hatte ich mich in die Zähne des Windes gelehnt und mein Schwert gezogen.
    Wenn man klettert, sollte man nichts mitnehmen, das nicht unbedingt nötig ist. Es steckt ein Lied hinter dem Schwingen eines Schwerts. Auf Gottes Finger kann man es deutlicher hören. Beim Aufstieg war ich der Erinnerung an die Musik meiner Mutter gefolgt, doch der Berg hatte mir ein anderes Lied gesungen. Vielleicht liegt es daran, dass der Himmel näher ist; vielleicht kommt es mit dem Wind. Wie dem auch sei, an jenem Tag hörte ich das Schwertlied und machte meine Klinge kata . Ich ließ sie den Wind schneiden, schwang sie von einer Seite zur anderen, stieß sie nach oben und nach unten. An jenem hohen Ort tanzte ich zum Lied des Schwertes, vielleicht eine Stunde lang, vielleicht noch länger. Ein wilder Tanz war es, mit Abgründen auf allen Seiten. Und dann, bevor die Sonne zu tief sank, ließ ich die Klinge auf der Spitze von Gottes Finger zurück, eine Gabe für die Elemente, und begann mit dem Abstieg.
    Als ich dort oben gestanden hatte, war mir klar geworden, warum Menschen für einen Ort kämpfen, für Felsen und Bäche, ganz gleich, wer sich dort König nennt. Die Macht des Ortes. Ich fühlte sie erneut am Ende des Tals, als sich mir die Horden von Pfeil näherten.
    »Heho, Coddin«, sagte ich, als mein Kanzler heranwankte. »Ihr seht halbtot aus.«
    Er hatte nicht genug Atem für eine Antwort.
    »Habt Ihr, was ich Euch gegeben habe?«, fragte ich. Bei
jener Gelegenheit hatte ich nicht gewusst, warum ich ihm den Gegenstand überließ. Ich hatte nur gespürt, dass er ihn haben sollte.
    Coddin keuchte noch immer, als er seinen Rucksack abstreifte und hineingriff. »Seid froh, dass ich ihn nicht weggeworfen habe, um besser zu laufen«, brachte er hervor.
    Ich nahm die Pfeife von ihm entgegen, eine Hochlandpfeife von der Art, wie sie die Ziegenhirten benutzen, etwa dreißig Zentimeter lang und mit lederpoliertem Kolben.
    »Auf Euch ist immer Verlass, Coddin«, sagte ich, obwohl Makin eine zweite Pfeife trug, und Keppen eine dritte. Vertrauen ist eine gute Sache, aber nicht stabil genug, um Pläne darauf zu bauen.
    »Wir sind keine Einheimischen«, sagte ich zu meinen Offizieren und hob die Stimme, damit mich auch die anderen Leute der Wache hörten, die sich um uns versammelten. »Das heißt, du bist einer.« Ich deutete auf einen Burschen in der zweiten Reihe. »Aber die meisten von uns sind in Ankrath geboren und aufgewachsen.«
    Die letzten Soldaten der Wache trafen ein. Die Männer von Pfeil folgten in einem Abstand von etwa zweihundert Metern und kletterten zwischen den Felsen.
    »Ihr seid hier

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