König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
hörte, der durch ein Loch gedrückt wird, in dem es selbst für Finger eng ist. Nach wenigen Stunden schickte sie mich fort. Wegen meines Schmollens, meinte sie. Eigentlich war ich froh, gehen zu können.
Ich sollte mich für sie freuen. Ich sollte dankbar sein, dass sie beide leben. Ich mag sie, und bestimmt werde ich auch den Jungen mögen. Es ist nicht ihre Schuld, dass er ein Ankrath ist. Doch ich fürchte mich.
Es war kein Schmollen, sondern Furcht. Sareth heulte und kreischte den Rest des Tages und in die Nacht, bis sie das Kind schließlich aus sich herausbekam. Ich wusste von ihrem schmutzigen Mundwerk, aber die Worte, die sie zum Schluss rief … Wie die Bediensteten sie jetzt wohl sehen werden? Und was werden die Tafelritter hinter ihren Visieren von der Königin denken?
Ich fürchte mich, und dieser Federkiel bringt die Furcht in jedes Wort. Ich zittere und muss langsam und sorgfältig schreiben, damit das Geschriebene auch nur lesbar ist.
Im letzten Monat bin ich ausgeblieben, und diesen ebenfalls. Ich denke, bevor das Jahr um ist, werde ich daliegen und schreien, ohne mich darum zu kümmern, was ich sage und wer mich hört. Und für meinen Bastard wird man weder Fahnen hissen noch in der Kapelle beten. Im Gegensatz zum kleinen Prinzen Degran um Mitternacht. Nicht einmal dann, wenn mein Baby das gleiche schwarze Haar hat, das
verschleimt am Kopf klebt, und die gleichen dunklen Augen in einem zerdrückten Gesicht.
Ich hasse ihn. Wie konnte er? Wie konnte er alles ruinieren? Letzte Nacht habe ich von Jorg geträumt. In dem Traum kam er zu mir, und ich hatte einen dicken Bauch, weit vorgewölbt, und darin strichen kleine Hände über die Innenseite der Haut. Ich träumte, dass Jorg mit einem Messer kam. Oder vielleicht war es mein Messer. Das lange, schmale. Und er schnitt mich auf, so wie Drane Fische in der Küche aufschneidet, und zog das Baby aus mir, scharlachrot und schreiend.
Ich sollte jemandem davon erzählen. Ich sollte zu Friar Glen gehen und ihm alles berichten. Wie Jorg mich vergewaltigt hat. Und um Vergebung zu bitten, obwohl allein der Himmel weiß, warum es ausgerechnet bei mir liegt, Vergebung zu suchen. Ich sollte gehen. Man würde mich zu den Heiligen Schwestern bei Frau Fels schicken.
Aber ich hasse jenen Mann, diesen untersetzten Friar mit seinen leeren Augen und dicken Fingern. Ich weiß nicht, warum, aber ich hasse ihn noch mehr als Jorg Ankrath. Bei seinem Anblick habe ich das Gefühl, dass sich die Haut am liebsten von mir abschälen und davonkriechen würde.
Oder ich könnte jemanden um Hilfe dabei bitten, das Kind zu verlieren. Im Armenviertel von Scorron gab es alte Mütter mit einer besonderen bitteren Paste. Sie sorgt dafür, dass Ungeborene aus den Frauen herausrutschen, die sich an jene alten Mütter wenden, dass sie klein und tot aus ihnen fallen. Aber das war in Scorron. Ich weiß nicht, wen ich hier um Hilfe bitten könnte. Vielleicht Maery Coddin, aber sie ist zu gut, zu rein. Sie würde Sareth davon erzählen, und Sareth würde es König Olidan sagen, und wer weiß, wie er mich
dafür bestrafen würde, dass ich seine Pläne ruiniere, dass ich vom Brett seiner Staatsspiele falle, anstatt mich wie eine gehorsame Spielfigur hin und her schieben zu lassen.
Ich sollte Fürst Orrin oder Egan heiraten. Schnell, bevor man es mir ansieht. Egan würde nicht bis zur Hochzeit warten. Er wäre sofort auf mir. Er würde nie erfahren, dass es nicht sein Kind ist. Orrin aber würde warten.
22
Hochzeitstag
»Wo ist Coddin, verdammt?«
»Dort unten.« Hobbs, Kommandeur der Wache, zeigte ins Tal. Die graue Nachhut der Wache bildete eine zerfranste Linie vor den ersten Pfeil-Soldaten.
»Du hättest ihn in der Burg lassen sollen, Jorg«, sagte Makin und schnappte nach Luft, kaum hatte er ein Wort gesprochen. »Er ist zu alt fürs Laufen.«
Ich spuckte. »Keppen muss mindestens hundert sein, und er wäre diesen Berg hinauf- und wieder heruntergelaufen, noch bevor du Zeit genug fürs Frühstück hättest, Sir Makin.«
»Er könnte um die sechzig sein«, erwiderte Makin. »Auf jeden Fall ist er ein ganzes Stück älter als Coddin, zugegeben.«
Hobbs erreichte uns auf der Anhöhe, zusammen mit Hauptmann Stodd, dessen weißer Bart im roten Gesicht zu leuchten schien.
»Nun?«, fragte Hobbs.
Ich beobachtete ihn.
»Sire«, fügte er hinzu.
Es ist leicht, in den Bergen den Glauben zu verlieren, aber ebenso leicht ist es, ihn zu finden. Gott tausend Meter näher zu sein, kann
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