König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Stimme, die gegen die Finsternis spricht. Versteh doch, Samael!“
Asasel sprach nun eindringlich auf Samael ein. „Gott hat erkannt, dass wir gefallenen Engel zu mächtig geworden sind. Das Böse breitet sich mehr und mehr aus, kein Mensch ist noch ohne böse Gedanken und Absichten. Kaum ein Mensch ist noch frei von Sünde. Und in dieser Lage sendet Gott den Menschen einen Heiland, einen Propheten, der die Wunden heilen soll, die wir den Menschen geschlagen haben.“
„Warum hat er uns überhaupt auf die Erde entsandt um die Menschen ins Verderben zu ziehen, wenn er nun jemanden schickt, um gegen uns anzugehen?“
„Vermutlich sind wir ihm zu erfolgreich.“
„Und warum schickt er einen Menschen und nicht einen Engel, um das zu berichtigen? Oder warum lässt er nicht einfach einige von uns zurück in den Himmel?“
„Offenbar will er die Weltordnung nicht umwerfen“, antwortete Asasel nach einem Augenblick. „Er korrigiert sie nur. Würde er einen Engel schicken, könnte keiner mehr an Gott zweifeln, also sendet er einen Menschen, bei dem immer Restzweifel bleiben werden. Selbst wenn Millionen von Menschen an ihn und seine Botschaft glaubten, so würden doch noch immer welche übrig bleiben, die zu glauben sich einfach weigern.“
Samael starrte schweigend in den Hof hinab, in dem sich zu dieser Stunde unter der drückenden Mittagshitze nur wenige Gläubige fanden. Das beständige Rauschen und Lärmen der Stadt hatte einer mittäglichen Stille Platz gemacht. Einer Ruhe, die schwer und träge auf der Stadt und ihren Menschen lag.
„Und wie soll uns das helfen?“, fragte er. „Was soll dieser Jeshua, dieser Prophet, für uns bewirken?“
„Er predigt Dinge, die allem zuwiderlaufen, was wir in dieser Welt bewirken“, erwiderte Asasel. „Wenn wir ihn gewähren lassen, schafft er vielleicht ein Fundament für die Menschen, das uns eines Tages überflüssig macht!“
Samael blickte Asasel verwirrt an. „Ein Fundament, das uns überflüssig macht? Wie meinst du das? Wie sollen seine Worte uns überflüssig machen?“
„Denk doch nach, Samael!“, sprach Asasel erregt. „Wenn nur genügend Menschen seine Botschaft empfangen – vielleicht gibt es dann keinen Platz mehr für das Böse auf dieser Welt und Gott muss uns zurückkehren lassen, weil wir für ihn hier unten nutzlos geworden sind…!“
Eine Weile sagte keiner der beiden ein Wort. Noch immer standen weit über eintausend Engel, für die Augen der Menschen unsichtbar, schweigend auf den Dächern und Säulengängen des Tempels, während die Sonne unbarmherzig auf die hellen Steine des gewaltigen Tempelkomplexes brannte und ihn in ein blendend weißes Licht tauchte.
„Die Sünde wird es immer geben!“, durchbrach Samaels Stimme schließlich die Stille. „Jeshua mag sie ein wenig eindämmen, aber sie ist wie eine Flut, die sich immer wieder Bahn brechen wird.“
„Er ist hier, um den Menschen etwas zu geben, was sie gegen uns bestehen lässt“, beharrte Asasel. „Warum sollten nicht auch wir von ihm profitieren? Ich habe ihn im vergangenen Jahr aufgesucht, unmittelbar, bevor er zu seiner Mission aufbrach. Ich fragte ihn, ob er auch für uns Engel etwas bewirken wolle. Er sagte, er würde auch für uns da sein, wenn wir von unserem Hass auf die Menschen absähen.“
Samael schnaubte. „Da hast du deine Antwort, Asasel, mein Freund. Dieser Hass ist das einzige, was uns unseren Auftrag durchführen lässt. Gott hat bestimmt, dass wir die Menschen mit der Sünde konfrontieren. Wie sollen wir das tun, wenn wir sie nicht hassen? Jeshua hat etwas von dir verlangt, was keiner von uns geben kann. Er wird nichts für uns bewirken, so viel ist sicher. Und wir kommen nicht einmal an ihn heran, weil sein Glaube so fest ist…!“
Samael ballte die Fäuste und blickte ein letztes Mal über den Tempel hinweg. Dann breitete er seine gewaltigen Schwingen aus und erhob sich in die Luft. Nach und nach folgten ihm die anderen Engel, bis schließlich Asasel allein zurückblieb. Wortlos hockte dieser sich auf einen Giebel, legte die Flügel eng an und wartete.
Rund eine Stunde später verließen Jeshua und seine Getreuen die königliche Stoa. Ihnen auf dem Fuße folgte ein rundes Dutzend Tempelpriester, das erregt auf die Pilgergruppe einredete und wild am gestikulieren war. Asasel runzelte die Stirn, es war nicht schwer zu verstehen, was hier geschehen war – offensichtlich hatten die Priester des Tempels voll Zorn auf den unbekannten Lehrer
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