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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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dem das kalte Grauen seinen Ausgang nahm. Dort, auf der untersten Stufe, sah sie in der Dunkelheit des Treppenhauses den bleichen Schatten, die fahle Aura des Geistes der jungen Elizabeth sitzen. Wie immer wiegte sie sich sanft hin und her und schien ihre Umwelt kaum wahrzunehmen.
    „Elizabeth?“, flüsterte Eleanor.
    Der helle Schatten hielt schlagartig in seiner Bewegung inne, schien sich umzublicken.
    „Eleanor“, erklang Elizabeths ferne Stimme voll Freude. „Du bist hier. Du bist hier, du bist zu mir gekommen!“
    Eleanor lächelte unbewusst. Es schien ihr noch immer unfassbar, dass Elizabeth jedes Mal so euphorisch reagierte, wenn sie zu ihr zu Besuch kam. In der Einsamkeit ihres Gefängnisses in der Totenwelt kam ihr jede noch so kurze Trennung von Eleanor wie eine tausendjährige Ewigkeit vor. Ihr fehlte schlicht und einfach der Glaube daran, dass Eleanor zurückkehren könnte und würde. Wann immer Eleanor sich von ihr verabschiedete, fiel Elizabeth innerhalb weniger Augenblicke erneut in die tiefe Einsamkeit und Verzweiflung zurück, in der die Toten auf dieser Welt leben müssen. Ohne Hoffnung, ohne den Glauben daran, dass sich an dieser Existenz je etwas wird ändern können.
    Umso größer war der Unterschied zu den Augenblicken, da Eleanor bei Elizabeth war. Das kalte Grauen, die Einsamkeit und die alles verzehrende Angst fielen dann unmittelbar von Elizabeth ab und in diesen Momenten strahlte sie eine so tief empfundene Freude und Dankbarkeit aus, dass Eleanor jedes Mal aufs Neue tief gerührt war. Auch jetzt wogten Elizabeths Emotionen in sanften Wellen zu Eleanor hinüber und hüllten sie wie in eine warme Decke ein.
    „Es ist so schön, dass du da bist“, sprach Elizabeth. „Wenn du bei mir bist, geht es mir so viel besser.“
    Eleanor lächelte und für einen Augenblick war es still zwischen den beiden. Dann war Elizabeths Stimme ganz zaghaft zu vernehmen. „Dich bedrückt etwas, stimmt‘s?“
    Eleanor nickte betreten. „Ich hatte heute Morgen Besuch von Asasel“, begann sie. „Als ich Raphael davon erzählte, sprach er von einer großen Schuld, die Asasel auf sich geladen hätte. Aber er wollte mir nicht sagen, worum es sich dabei handelte. Kannst du dir denken, was er gemeint haben könnte?“
    Elizabeths leuchtender Schatten schien den Kopf zu schütteln. „Nein, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass der Dämon Asasel sehr bösartig ist. Aber seine Bösartigkeit richtet sich nicht allein gegen seine Umwelt. Ich bin mir sicher, dass er sich selbst fast noch mehr hasst als den Rest der Welt.“
    Eleanor nickte gedankenverloren. Das deckte sich mit dem, was auch Raphael gesagt hatte. Mehr denn je hätte Eleanor etwas darum gegeben, wenn sie um Asasels Verbrechen gewusst hätte. Für einen kurzen Augenblick durchzuckte sie sogar der Gedanke, aus diesem Wissen Kapital schlagen zu können, um Elizabeth aus seinen Klauen zu befreien. Sie verwarf diesen Gedanken wieder. Wenn man nicht wusste, womit man es zu tun hatte, brachte es auch nichts, seine Pläne darauf aufzubauen.
    „Lass dich nicht mit ihm ein“, sagte Elizabeth nach einer Weile leise und eindringlich. „Du kannst ihm nicht trauen, du kannst dich auf nichts verlassen, was er sagt. Glaube mir, ich weiß, was ich sage.“
    Eleanor stutzte. „Sag einmal, wie bist du eigentlich an ihn geraten?“, fragte sie nachdenklich. „Wie hast du damals mit ihm Kontakt aufgenommen?“
    „Durch ein Buch!“, erwiderte Elizabeth aufgeregt. „Ich fand es damals in der Bibliothek meines Vaters. Er hatte eine Leidenschaft für Okkultismus. Das Buch handelte von Dämonen und schwarzer Magie. Das meiste darin kam mir ziemlich abwegig und albern vor, doch die Anweisungen zum Herbeirufen finsterer Mächte wirkten auf mich sehr glaubwürdig. Ich hatte nicht viel zu verlieren, wie ich damals glaubte. Also habe ich es ausprobiert und es wirkte besser, als ich gedacht hatte…“
    Elizabeths Stimme erstarb mit einem schauernden Geräusch. Zweifellos dachte sie nicht gern an ihre Begegnung mit Asasel zurück. Wer konnte es ihr verdenken, wenn dieses Zusammentreffen die Verdammnis ihrer Seele zur Folge gehabt hatte?
    „Es ist möglich, einen gefallenen Engel absichtlich herbeizurufen?“, fragte Eleanor ungläubig. „Ich hätte nicht gedacht, dass einer von denen durch einen Menschen zu irgendetwas gezwungen werden könnte.“
    „Gezwungen nicht“, erwiderte Elizabeth. „Aber du kannst sie locken. Du kannst ihnen etwas anbieten, was ihnen so

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