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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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flüsterte Bess. Eleanor nickte.
    Michael tauschte nun ebenfalls den Tisch und wurde vom Schiedsrichter an einen Platz verwiesen, der praktisch direkt vor den Mädchen stand. Er grinste ihnen zu, als er sich setzte, doch Eleanor bemerkte, dass die letzte Partie ihn Kraft gekostet hatte. Er wirkte etwas erschöpft, sein dritter Gegner hingegen sah entspannt und locker aus – ein übergewichtiger Typ mit etwas schmierigem Grinsen. Eleanor und Bess sahen sich gleichzeitig mit ziemlich angewidertem Gesichtsausdruck an und schüttelten sich. Das brachte sie beide zum Lachen, wodurch sie sich einen ärgerlichen Blick von Michaels Gegner zuzogen. Er beugte sich zu Michael hinüber und flüsterte ihm etwas zu, ohne den Blick von den Mädchen zu wenden. Doch was immer er sagte, brachte ihm eine zornige Antwort Michaels ein. Keine guten Voraussetzungen für eine Partie.
    Der Schiedsrichter gab die Partie frei und Michael, der mit den weißen Figuren spielte, zog seinen ersten Bauern vor.
    Beide spielten aggressiv und man sah ihnen deutlich an, dass sie innerlich kochten. Hier spielten zwei, die ihren Gegner nicht allein besiegen, sondern nach Möglichkeit demütigen wollten. Nach geraumer Zeit, wie es schien, gewann Michaels Gegner jedoch langsam die Oberhand. Er blockte Michael äußerst geschickt ab und verfolgte dennoch eine effiziente nach vorn gewandte Angriffsstrategie. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er Michael in die Ecke gedrängt haben würde.
    Wieder flüsterte der Dicke Michael etwas zu und beobachtete dann amüsiert, wie dieser zähneknirschend die Stirn in Falten legte und angestrengt auf das Spielbrett starrte. Schließlich zog Michael hektisch einen Springer vor. Eleanor erstarrte – die Bewegung wirkte, als habe Michael innerlich aufgegeben und den Zug aus Zeitgründen eilig und unüberlegt durchgeführt. Auch sein Gegner schien das so zu interpretieren, er grinste höhnisch, lehnte sich selbstgefällig zurück und zog dann selbst. Michael schien innerlich zu fluchen, dann zog er wieder nervös nach. Er wirkte missmutig und fahrig.
    Bess stieß Eleanor von der Seite an und deutete an die gegenüberliegende Wand. Dort befand sich eine Beamerleinwand, auf der in Großaufnahme die jeweiligen Partien angezeigt wurden, die gerade von besonderem Interesse waren. Im Augenblick lief dort die Partie von Michael und dem Dicken und die Mehrzahl der Zuschauer im Saal blickte jetzt dorthin. Bemerkenswert aber war, dass die Reaktionen der Zuschauer auf diese Bilder ausgesprochen unterschiedlich war. Die meisten stöhnten bei jedem Zug von Michael auf, während sie die Züge des Dicken fallweise sogar mit Applaus honorierten. Doch gab es einige wenige, die sich genau andersherum verhielten. Sie waren stiller, doch sie nickten anerkennend und fachmännisch, wann immer Michael zog.
    Seitdem die Partie auf der Großbildleinwand lief, hatte Michael drei Figuren verloren. Sicher, zwei davon waren nur Bauern gewesen, jetzt aber hatte es einen Läufer erwischt. Was dort auf dem Spielbrett ablief, war ein Gemetzel.
    Bess runzelte die Stirn. „So kenne ich ihn gar nicht“, flüsterte sie. „Normalerweise spielt er nicht so unkonzentriert.“
    Eleanor blickte nach rechts, wo eine Gruppe älterer Herren das Spielgeschehen auf der Leinwand verfolgte. Sie amüsierten sich offenbar köstlich, obwohl sie die Abzeichen des Schach-Clubs von Bude trugen und daher eigentlich auf Michaels Seite hätten stehen sollen.
    Eine Wandlung ging durch das Publikum. Mehr und mehr Menschen schien das Spielgeschehen nun geradezu zu belustigen. Merkwürdigerweise aber vor allem, wenn der unsympathische Dicke zog. Michael hingegen wirkte noch immer kopflos, seine Spielzüge überstürzt und unbedacht. Dennoch schien er fieberhaft nach Lösungen aus dem Fiasko zu suchen.
    Wieder zog der Dicke und nun wurde wieder laut im Publikum gelacht. Der Dicke sah irritiert auf und auch Eleanor blickte sich verwirrt um. Sie verstand nicht genug vom Schach, als das sie sich einen Reim auf diese Geschehnisse hätte machen können.
    Nun aber sah sie zu Michael hinüber, der von einem Augenblick auf den anderen wie ausgetauscht wirkte. Mit einem geradezu diabolischen Lächeln hob er den Blick und fixierte den Dicken, dann ließ er seinen Turm auf das Spielfeld los. Er zog ihn auf eine Position, in der er die einfache Bauernverteidigung seines Gegners durchbrach und zugleich ein Schach erzielte. Dieser konterte mit der einzigen Figur, die er in Reichweite

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