König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
bringen konnte, um seinen König zu schützen: der Dame. Nun jedoch stand seine Dame in Reichweite der Dame Michaels. Dieser zog nach, beförderte die schwarze Dame ins Jenseits und stand nun zwei Felder vor dem König.
Ein Lachen und Johlen ging durch den Saal. Applaus brandete auf und Michael lehnte sich bequem in seinem Stuhl zurück. Mit einer spöttischen Geste wies er wortlos auf das Spielbrett, dann sah Eleanor, wie seine Lippen im Lärm des Saales die Worte ‚Schach Matt“ formten.
Der Dicke lief hochrot an und starrte fassungslos auf das Brett. So selbstsicher hatte er sich gefühlt und so stümperhaft hatte sein Gegner sich gegeben, dass er dessen eigentlichen Plan nicht erkannt hatte. Michael hatte die ganze Zeit über nur so getan, als würde er an dieser Partie verzweifeln, hatte sich Figuren abnehmen lassen, unablässig auf seinen Fingernägeln gekaut und seinen Gegner in Sicherheit gewiegt. Dieser hatte mühelos Michaels Verteidigung einkassiert und in seiner Selbstsicherheit die eigene Verteidigung vernachlässigt. Ihm war gegen Ende gar nicht mehr in den Sinn gekommen, dass Michael seine Angriffskräfte noch gar nicht ins Spiel gebracht hatte.
Mit einer spöttischen Verbeugung verneigte Michael sich vor seinem ehemaligen Gegner. Dieser lief noch einmal zornesrot an und erhob sich dann. Er verließ den Tisch aufgebracht und ohne sich zu verabschieden.
Die Geister erwachen
„Wie du den Dicken verarscht hast, war wirklich wunderbar!“
Bess war heute ausnahmsweise einmal stolz auf ihren Bruder. Auf dem Weg zum Bus konnte sie kaum aufhören, darüber zu lachen.
Michael hatte heute einen hervorragenden zweiten Platz im Turnier gemacht. Erst in der Finalrunde hatte er sich einem Gegner aus Devon geschlagen geben müssen.
„Ich habe nicht gewusst, dass du ein so guter Schauspieler sein kannst“, lachte Bess. „Er hat wirklich nicht bemerkt, dass du mit Absicht den Deppen gespielt hast. Elli und ich auch nicht!“
Michael lächelte gequält. Er verdrehte hinter Bess‘ Rücken die Augen und sah Eleanor entschuldigend an.
„Der Typ heißt Graham“, erklärte er. „Ich habe ihn zuvor schon einmal gegen James aus meinem Club spielen sehen. Er ist ein starker Spieler, man muss sich bei ihm vorsehen. Allerdings ist er auch ziemlich eingebildet und von sich selbst überzeugt. Ich war mir nicht sicher, ob ich eine ‚normale“ Partie gegen ihn bestehen würde. Da erschien es mir einfacher, mit Psychologie zu arbeiten.“
„Du hast ihn glauben lassen, dass er gegen dich leichtes Spiel hat“, stellte Eleanor fest.
„Das stimmt“, lächelte Michael sie dankbar an. „Ich hatte nur Angst, dass das Publikum es vor ihm bemerkt und sich durch seine Reaktionen verrät. Zum Glück wurde er erst viel zu spät misstrauisch.“
„Sein Gesicht war das Beste!“, lachte Bess. „Er sah aus, als hätte er sich in die Hose… AU!“
Bess fuhr zu Michael herum, der sie in die Seite geknufft hatte und nun angrinste.
„Lass gut sein, Bess!“, sagte er mit einem schelmischen Blick in Eleanors Richtung. „Du bringst mich in Verlegenheit.“
In diesem Moment sahen sie den Bus an die Haltestelle fahren, die vor ihnen in Sicht gekommen war. Die drei rannten die letzten hundert Meter durch den gerade einsetzenden Nieselregen, um noch mitgenommen zu werden. Der Busfahrer sah sie kommen und wartete freundlich, bis sie schwer atmend durch die Tür stürmten. Dann fuhr das schwere Fahrzeug an, während Bess, Eleanor und als Letzter Michael durch den Mittelgang nach hinten liefen, um sich zu setzen.
Der unvermeidliche Regen nahm indes zu und innerhalb kurzer Zeit fuhr der Bus durch eine graue und finstere Landschaft, die von schweren Regenfällen durchnässt wurde. Sie hatten Bude jetzt verlassen und befanden sich auf der von Wäldern umgebenen Landstraße, die nach Stratton führte. Zu all dem Regen war nun noch ein kräftiger Wind hinzugekommen, der die Bäume am Straßenrand durchrüttelte und Blätter von den Ästen riss. Der Busfahrer ließ den Bus nun langsamer fahren, er bemühte sich nach Leibeskräften, durch die Windschutzscheibe zu blicken, während der Regen fast waagerecht gegen das Glas peitschte. Die Scheibenwischer arbeiteten jetzt mit Höchstgeschwindigkeit und richteten doch kaum etwas aus.
Bis eben hatten Eleanor, Bess und Michael sich noch entspannt miteinander unterhalten und über das Turnier gesprochen. Bei dem Anblick des Unwetters außerhalb des Busses waren sie jedoch still
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