König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
stellte sie klar. „Er hat mir nur Hölle und Verdammnis angedroht, wenn ich es nicht tue.“
Eleanor lachte laut auf und auch Bess fiel in das Gelächter ein, bis es erneut an der Tür klopfte. Sie musste die Tür nicht öffnen um zu wissen, dass Raphael vor ihr stand. Unter normalen Umständen wäre Raphael einfach hereingekommen, denn er konnte sicher sein zu spüren, wann er willkommen war. Jetzt aber war ihm Bess‘ Anwesenheit zweifellos bewusst und so wartete er höflich, bis er das ‚Herein“ von Eleanor hörte.
Als er jedoch die Tür öffnete, blieb er unschlüssig im Türrahmen stehen. Eleanors Lächeln erstarb, als sie ihn zum ersten Mal beinahe verlegen sah.
„Ich… wollte dir nur eben sagen…“, stammelte er, „dass ich heute ein paar Dinge erledigen muss. Sehen wir uns heute Abend?“
Eleanor nickte wortlos. Raphael zögerte noch einen Augenblick. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann ging ein Ruck durch ihn, er wandte sich um und schloss die Tür hinter sich.
„Was war das denn gerade?“, fragte Bess perplex.
Eleanor zuckte sprachlos mit den Schultern, während sie noch immer zur Tür starrte.
„Ich… ich weiß es nicht“, stotterte sie. „Er war gestern schon so merkwürdig. Irgendetwas scheint ihn zu bewegen…“
Unwillkürlich lief Eleanor rot an. Sie wusste sehr wohl, was in Raphael vorging – er sorgte sich um sie, denn mit Lilith war eine Gefahr am Horizont aufgezogen, die sich nicht verleugnen ließ. Man würde sich ihr über kurz oder lang stellen müssen, das war unausweichlich. Allerdings war Eleanor sich nicht ganz sicher, was Raphael vorhatte. Sie wusste so gut wie nichts über Liliths Kampfkraft oder die Möglichkeiten, die Raphael zu ihrem und seinem eigenen Schutz hatte. Immerhin hatte sie mittlerweile begriffen, dass Engel eher zu einfachen Antworten neigten, sie planten in der Regel keine ausgefeilten Aktionen oder Alternativen. Eher war damit zu rechnen, dass sie einem Bulldozer gleich Tatsachen schufen. Immerhin war aber Lilith auch ein Mensch und sie würde vielleicht anders denken, als Raphael es erwartete. Vermutlich war dies genau Raphaels Problem – er würde Lilith kaum abschätzen können und das verunsicherte ihn.
Zögernd hob Eleanor den Blick und sah ihre Freundin an. Bess ihrerseits hatte sie mit einem leicht spöttischen Ausdruck im Gesicht die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen. Sie hatte Eleanor leicht durchschaut und wusste, dass sie gerade angeflunkert wurde. Sie nahm es indes nicht übel und lächelte.
„Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst“, stellte sie klar. „Wenn du Probleme mit Raphael hast, kannst du sie für dich behalten. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich deine Freundin bin und dir zuhören werde, wenn du reden willst.“
Eleanor lächelte Bess dankbar an.
„Danke“, sagte sie ungeschickt. „Ich bin es einfach nicht gewöhnt, jemanden zum Reden zu haben. Jemanden wie dich…“
Jetzt war es an Bess, peinlich berührt zu Boden zu blicken. Doch sie lächelte glücklich dabei.
Es war bereits kurz vor zehn, als Bess und Eleanor vor der Stadthalle von Bude eintrafen. Sie waren keineswegs die einzigen, die heute hierher kamen um die Bezirksmeisterschaft im Schach zu sehen, wie Eleanor verwundert feststellte. Schach schien in dieser Gegend Englands ein weit verbreiteter Volkssport zu sein. Mehr als einhundert Menschen, so schätzte sie, standen bereits vor dem Eingangstor und warteten auf den Einlass. Endlich wurden die großen Türflügel geöffnet und die Menge setzte sich in Bewegung. Eintritt schien das Turnier nicht zu kosten, zumindest verlangte niemand von ihnen, irgendwelche Tickets vorzuzeigen. Und so wurden die beiden langsam aber sicher von dem sie umgebenden Menschenstrom vorangetrieben, bis sie sich im Innern der Halle wiederfanden. Es handelte sich um einen bemerkenswert hässlichen Bau aus den Sechzigern, mit kantigen Formen aus Beton, Stahl und Glas. Genau die Art von Bauwerk, die umgehend unter Denkmalschutz gestellt wird und doch in den Augen aller eine einzige Bausünde ist. Vier ansteigende Sitzbereiche umgaben wie bei Sporthallen üblich ein Mittelfeld, das zweifellos groß genug war, um als Spielfeld für Basketball oder Hallenfußball genutzt werden zu können. Heute allerdings waren hier etwa ein Dutzend Tische aufgebaut, ausgerüstet mit Schachbrettern, Stoppuhr und zusätzlichen Lampen, die für eine ausgeglichene Beleuchtung der Spielbretter
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