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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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hallte durch die einsamen Gänge und Schächte der verlassenen Mine.
    „Weißt du noch wie es war, durch die unendlichen Weiten des Himmels zu fliegen?“, erklang Siriels sehnsüchtige Stimme. „Das wunderschöne Licht um uns herum. Man konnte Millionen von Jahre fliegen, ohne einem anderen Engel zu begegnen, oder man flog in dichten Schwärmen miteinander auf das Licht des Herrn zu und erfreute sich an seiner Liebe und Zuneigung. Manchmal, wenn ich die Augen schließe, glaube ich noch immer dieses Licht des Herrn sehen zu können. Wenn ich träume, bin ich noch immer dort und spüre das Licht und die Wärme. Doch dann erwache ich aus diesem Traum und finde mich hier wieder. In Dreck, Schlamm, Dunkelheit und Kälte. Mein Gott, mein Gott, ich würde alles darum geben, es noch ein einziges Mal erleben zu dürfen.“
    „Das kannst du, Siriel!“, fiel Raphael ihm erregt ins Wort.
    „Wie sollte ich?“, erhob Siriel plötzlich seine Stimme. „Wie soll ich den Zorn der Jahrtausende hinter mir lassen und vergessen, dass es ihn je gegeben hat?“
    „Selbst Samael ist es gelungen!“
    „Selbst Samael?“, fauchte Siriel giftig. „Und was ist mit Asasel? Ist es auch ihm gelungen?“
    Betreten schüttelte Raphael den Kopf.
    „Ich wusste es. Ich habe es genau gewusst“, sagte Siriel hasserfüllt. „Wer einen solchen Zorn in sich trägt, wird ihn nicht vergessen können, wird nie von ihm ablassen. Auch mir geht es so. Ich bin nicht zu retten. Jeder Versuch ist zum Scheitern verurteilt!“
    Erneut schloss er die Augen. Raphael ließ den Kopf sinken und wieder übernahm die Stille die Herrschaft über den Tunnel. Eine Ewigkeit, wie es schien.
    „Bist du nur gekommen, um mir das zu sagen?“, flüsterte Siriel nach einer Weile.
    „Nein“, erwiderte Raphael. „Ich hatte gehofft, du könntest mir einige Informationen über Lilith liefern.“
    Eine eigenartige Wandlung ging in Siriel vor, als er den Namen Liliths hörte. Er richtete sich in Raphaels Armen auf und sah ihn aufmerksam an.
    „Was willst du von ihr?“, fragte er mit brüchiger Stimme.
    „Ich muss sie finden. Sie versucht Eleanor in ihre Fänge zu bekommen.“
    Mit einer zornigen Geste ließ Siriel sich zurückfallen. „Dieses elende Menschenweib! Ich wünschte, ich wäre ihr niemals begegnet. Von ihr geht nur Unheil und Verderben aus, weit mehr als von uns Engeln!“
    „Weißt du, wo ich sie finden kann?“
    Siriel schnaubte schwach. „Suche sie dort, wo die Macht ist. Mehr kann ich dir nicht sagen.“
    Raphael nickte. Dann ließ er Siriels Körper sanft zu Boden gleiten und erhob sich.
    „Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?“, fragte er noch einmal, doch Siriel antwortete nicht mehr.
    „Leb wohl, Bruder“, flüsterte Raphael. Dann wandte er sich ab und ging durch die Dunkelheit davon.
     
    „Suche sie dort wo die Macht ist“, wiederholte Raphael die Worte Siriels, während er hoch über den Wolken dahinflog. Er hatte den Kaukasus hinter sich gelassen und bewegte sich nun in Wolkenhöhe nach Westen. „Macht gibt es an allzu vielen Orten auf dieser Welt. Ich weiß nicht, wo ich zu suchen anfangen soll. Und welche Macht mag er gemeint haben? Geld? Nein, Lilith ist nicht auf Geld angewiesen. Politische Macht? Wohl eher. Menschen zu manipulieren entspricht ihrem Wesen. Aber wo auf der Welt mag es eine Herrscherin geben, als die Lilith sich getarnt haben könnte?“
    Tief in Gedanken versunken flog Raphael weiter. Er zermarterte sich den Kopf in der Hoffnung auf einen Geistesblitz, doch dieser blieb aus. Stunde um Stunde flog er so dahin, hatte die Welt um sich herum vergessen und dachte nach. Ein eisiger Wind pfiff um seine Ohren, doch er spürte ihn nicht. Städte, Dörfer, Ozeane und Gebirge zogen unter ihm vorbei. Flirrend heiße Wüsten und klirrend kalte Eisfelder überflog er ebenso wie immergrünen, finsteren Dschungel und kilometerweite, leere Hochebenen, übersät von Felsbrocken und messerscharfen Steinsplittern. Nicht ein einziges Mal blickte er hinab, er nahm die Umwelt ebenso wenig wahr, wie die Umwelt ihn.
    Es mochte mehr als ein Tag vergangen sein – Raphael hatte die Tages- und Nachtgrenze mehrmals überflogen und zu zählen aufgehört – als er plötzlich eine fremde Macht in seinem Umfeld spürte. Keine Frage, ein Engel war in seiner Nähe. Er konnte ihn fühlen, spürte seine Macht und Stärke. Er änderte seine Flugrichtung, beschrieb eine weite Linkskurve und horchte in sich hinein. Doch das Gefühl blieb

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