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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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Tod gerissen. Danach hatten die meisten sich von Lilith losgesagt, weil sie sie nicht gegen Jesus geschützt hatte. Von Siriel wusste Raphael, dass er sich daraufhin an einem geheimen Ort von der Welt zurückgezogen hatte und nun vollkommen depressiv in seinem Toten Palast lebte. Vor Gott und der Welt verborgen.
    Immerhin, Raphael war einer der wenigen, die den Aufenthaltsort Siriels kannten. Und auch wenn dieser sicher keinen Kontakt mehr zu Lilith hatte, so würde er ihm mit ein wenig Glück vielleicht einen Hinweis geben können, wo sie zu finden wäre. Eine schwache Hoffnung, doch die einzige, die er hatte.
    Mittlerweile näherte Raphael sich seinem Ziel. Dort, tief unter ihm, lag der Kaukasus. Und in den finsteren Eingeweiden dieses gewaltigen Gebirges würde er Siriel finden.
    Er sank jetzt tiefer und tiefer, durchbrach die niedrige Wolkendecke und raste zwischen den schneebedeckten Berggipfeln hindurch. Er genoss den Rausch der Geschwindigkeit, sie lenkte ihn wenigstens ein wenig von seiner Wut auf die Umstände ab, die ihn gezwungen hatten, Eleanor allein zu lassen. Mit einem kreischenden Geräusch, gleich dem eines Düsenjägers, donnerte er über eine kleine Ortschaft hinweg. Heute kümmerte es ihn nicht, was die Menschen dort denken mochten. Sehen konnten sie ihn ohnehin nicht, solange er in der Gestalt eines Engels war.
    Dort vor ihm lag das Minengebiet, in welchem Siriel sich verborgen hielt. Die Bergwerksschächte stammten noch aus dem Mittelalter und waren längst aufgegeben worden. Vermutlich war seit hunderten von Jahren kein Mensch mehr in ihnen gewesen. Sie lagen abseits der modernen Straßen mehrere Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt in wildem und heutzutage unzugänglichem Gebiet. Ein guter Ort, um sich zu verstecken.
    Am Fuße einer schroffen Granitwand setzte Raphael zu Landung an. Um ihn herum hatte sich die Pflanzenwelt längst zurückgeholt, was der Mensch ihr vor hunderten von Jahren genommen hatte. Wer nicht wusste, dass hier Minenschächte und Höhlen über viele Kilometer tief in den Berg führten, hätte weiter nichts gesehen als Büsche, Bäume, Moos und grauen Fels. Eine unwirtliche Gegend.
    Zielstrebig ging Raphael auf die Felswand zu. Riesige Steine versperrten ihm hier den Weg. Unmöglich zu sagen, ob sie einst durch einen Erdrutsch oder die Hand eines Lebewesens hier aufgetürmt worden waren. Eines Lebewesens, dessen Stärke weit über der eines Menschen stand. Was sich hinter diesen Felsen verbarg, war so uralt wie die Welt und es wollte nicht gefunden werden. Sorgsam tastete Raphael die moosbewachsenen Steine ab. Dann holte er plötzlich weit aus und schleuderte seine Faust gegen den Fels. Ein lauter Knall erschütterte die Umgebung, als Myriaden von Steinsplittern durch die Gegend flogen und auf die Erde hinab prasselten. Einen Moment lang begutachtete Raphael sein Werk. Dann griff er mit einer Hand in den neu geschaffenen Spalt und begann ohne große Mühe die tonnenschweren Steine herunterzureißen. Er schleuderte mannsgroße Felsen in weitem Bogen hinter sich, wo sie krachend gegen die Bäume prallten und ganze Büsche unter sich begruben. Nach nur wenigen Augenblicken hatte er die Barriere niedergerissen und stand nun vor der eigentlichen Bergwand. Vor ihm klaffte ein uralter Minenschacht, finster und im Laufe der Jahrhunderte unsicher und rissig geworden. Raphael musste sich bücken, um hineinzugelangen. Dann verschwand er in der Dunkelheit.
    Er benötigte keine Fackel oder Lampe, denn den Augen eines Engels entgeht auch in der Dunkelheit nichts. Die Finsternis mag nicht das natürliche Element der Engel sein, denn das Tageslicht erinnert sie so sehr an das Licht Gottes, dass sie es der Dunkelheit immer vorziehen. Doch Raphael wusste aus eigener Erfahrung, dass es gerade jene gefallenen Engel, die Depression und Verzweiflung zum Opfer gefallen waren, oft zur Dunkelheit hinzog. Für viele von ihnen schien die Finsternis auf unerklärliche Weise tröstlich zu sein und nicht wenige hielten sich fernab der Menschen in der ewigen Dunkelheit unterhalb der Erdoberfläche verborgen. Raphael fragte sich, ob daher der uralte Glaube der Menschen herrührte, dass Gott im Himmel lebte und die Teufel unterhalb der Erde.
    Die Gänge des Bergwerks verliefen unregelmäßig und änderten ständig Richtung und Größe. Oft zweigten andere Tunnel rechts und links von Raphaels Weg ab, doch er ging unbeirrt einen Weg weiter, den nur er zu kennen schien. Dunkel war es hier und kalt,

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