König für einen Sommer: Roman (German Edition)
scherzen. Kelly lächelte.
»Du meinst, ich sollte in die plastische Chirurgie einsteigen?«
»Klar! Schönere Nasen in einer Sekunde, ohne Narkose und Klinikaufenthalt. Heute im Sonderangebot, nur 99 Mark. Bei Unzufriedenheit Geld zurück.«
»Dr. Kelly Ennis, Behandlung frei Haus, alle Kassen. Klingt gut, oder?«
»Deine Zukunft ist gesichert.«
Wir alberten noch eine ganze Weile so weiter, bis wir bemerkten, dass sich mittlerweile mehr Leute draußen aufhielten als drinnen. Ich sah auf die Uhr. Es war erst viertel nach eins. Andi kam gerade aus der Tür und ich winkte ihn zu uns heran.
»Warum gehen denn alle raus?«, fragte ich ihn. » Die Party ist doch wohl noch nicht zu Ende, oder?«
»Doch, das ist sie!«, antwortete er ärgerlich. »Gerade jetzt, wo es anfing, lustig zu werden! Diese Susanne hat die Musik ausgeschaltet und erklärt, dass sie sich an die Sperrstunde der Kneipe halten müsste und dass wir doch jetzt bitte alle möglichst leise gehen sollten. Tolle Party! Wann ist der nächste Kindergeburtstag?«
»Scheiße! Und jetzt? Geht noch was ab?«, fragte ich, besorgt, der Abend mit Kelly könnte schon zu Ende sein.
»Wir gehen noch schwimmen. Kommst du mit?«
Der Vorstellung, wie schon so oft splitternackt und klatschnass, die Klamotten unterm Arm, vor den Bullen flüchten zu müssen, konnte ich in dieser Nacht, obwohl es noch 27 Grad waren, nicht allzu viel abgewinnen. Aber ich wollte doch erst Kelly fragen, bevor ich dankend ablehnte.
»Wie sieht's mit dir aus? Hast du Lust, schwimmen zu gehen?«
»Muss nicht sein. Ich wollte sowieso demnächst heim«, sagte sie zu meiner Erleichterung und ich teilte Andi meinen Entschluss mit.
Langsam verteilte sich die Meute auf verschiedene Autos und brach in Richtung Freibad auf. Nach einer Weile waren Kelly und ich allein und sie gab mir zu verstehen, dass sie bereit war aufzubrechen. Ich fühlte mich so wohl wie lange nicht mehr und ich sah einfach nicht ein, sie jetzt schon verlassen zu müssen.
»Soll ich dich nach Hause begleiten?«
»Gerne«, sagte sie. »Aber ist das nicht ein großer Umweg für dich?«
»Egal. Ein bisschen Bewegung kann mir nicht schaden.«
»Gut, dann lass uns gehen.«
EINEN HALBSTÜNDIGEN Fußmarsch später waren wir bei ihr angekommen. Vor ihrem Haus war ein Platz mit einer Bank, die unter zwei riesigen, alten Kastanienbäumen stand, und ich konnte Kelly dazu überreden, dort noch eine mit mir zu rauchen. Eine Zeit lang saßen wir einfach nur da und genossen die angenehme Wärme und Stille dieser Nacht. Es gibt diese seltenen Momente, in denen man sich eins fühlt mit allem, und ich glaube, es ging uns beiden so. Ein Igel tippelte vor uns übers Gras und wir freuten uns wie Kinder darüber. Wir sprachen über alles, was wichtig ist. Ich erzählte ihr von Chris und es tat zum ersten Mal nicht mehr weh. Kelly erzählte mir etwas über einen Mann namens Jack, den sie fast geheiratet hätte, und auch das tat mir nicht weh. Ich merkte mehr und mehr, dass ich in Kelly jemanden hatte, der in seinem Leben dieselben Prioritäten setzte wie ich, und dass mir so jemand sehr gefehlt hatte. Irgendwann redete nur noch Kelly, aber da ich im Allgemeinen lieber zuhöre als zu reden, störte mich das überhaupt nicht. Es gab Momente, in denen ich sie ansah und nichts anderes mehr wahrnahm, in denen ihre Stimme aus der Ferne ganz schwach zu mir durchdrang, in denen ich sie hören konnte, ohne ein Wort zu verstehen. Ihre Schönheit fesselte mich. Ihre tiefen, braunen Augen, ihr kleiner, süßer Mund, ihre glatten, im Mondlicht backsteinrot schimmernden Haare, die zarten, feinen Hände, die mit dem Bändel ihres Kapuzenshirts spielten, alles an ihr ließ mich wünschen, für immer dort zu sitzen und sie ansehen zu können. Ab und zu schaute ich unauffällig auf die Uhr, betend, sie würde nicht merken, wie spät es mittlerweile war, aber der anbrechende Tag vernichtete meinen Traum einer ewigen Nacht.
»Ist es wirklich schon sooo spät?«, fragte sie und gähnte und streckte sich dabei.
»Viertel vor fünf«, musste ich zugeben.
»Oje! Dann mach ich mich jetzt lieber mal in mein Bett. Ich muss morgen früh raus, meinem Vater beim Umzug helfen.«
»Schade. Rauchen wir noch eine letzte Zigarette?«, klammerte ich.
»Nein, danke, wirklich nicht. Deine Zigaretten sind mir heute irgendwie zu lang. Noch mal drei Stunden schaffe ich beim besten Willen nicht, obwohl es wirklich sehr schön ist, hier mit dir zu sitzen. Lass uns das bald
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