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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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immer noch ihre Hand entgegenstreckte, mit offenem Mund angestarrt, als ob sie drei Nasen hätte.
    »Äh ... ja ... Sorry«, stammelte ich, ihre Hand ergreifend. »Ich bin ... David ... ja, David ist mein Name. Hallo.«
    Gott, was für einen Schwachsinn ich von mir gab! Sie musste mich für einen unterbelichteten Volltrottel halten. Wenigstens wusste ich noch, wie ich hieß.
    »Setz dich doch«, sagte ich verlegen, aber immerhin zusammenhängend.
    »Wundere dich nicht über David«, sagte Kelly. »Er ist sehr schüchtern, aber durchaus liebenswert, wenn man ihn erst mal kennt.«
    Danke, Kelly. Vielen Dank auch. Wie ich es verdammt noch mal hasste, wenn jemand Eigenschaften meiner Person einfach so in den Raum warf. Und überhaupt: Ich war noch nie schüchtern. Wie kam sie nur auf so etwas? Jetzt müsste ich den ganzen Abend die Erwartungen an einen schüchternen, aber durchaus liebenswerten Menschen erfüllen. Und Anna wäre nicht im Geringsten überrascht, wenn sie feststellte, wie liebenswert ich tatsächlich war.
    Sie setzte sich zwischen Kelly und mich und die beiden fingen – wie erwartet – an Jugenderinnerungen auszutauschen. Was ist eigentlich aus Marion geworden, dieser Zicke? Weißt du noch, damals die Klassenfahrt nach Berlin? Oder die Party bei Stefan? Du warst doch scharf auf ihn? Nein, du! Er hat mit Sabine rumgemacht oder war es Tina? Was ist eigentlich aus der geworden? Hat die nicht geheiratet? Oder die Nacht, als wir ... Da ich weder Marion noch Stefan und geschweige denn Tina kannte, hatte ich der Unterhaltung nicht viel beizusteuern. Selbst wenn ich sie gekannt hätte, wäre es mir schnurzpiepegal gewesen, ob sie mittlerweile verheiratet, vermisst oder verstorben waren. Das Einzige, was mich interessierte, saß einen Meter von mir entfernt und hieß Anna. Ich versuchte sie so unauffällig wie möglich zu beobachten. Wenn ihr Blick zufällig und flüchtig auf mich fiel, grinste ich sie entweder verlegen an oder spielte möglichst gleichgültig mit meiner Zigarette im Aschenbecher herum. Meine einzige aktive Betätigung bestand darin, ihr Feuer zu geben. Sobald sie nur die geringsten Anzeichen machte, nach ihrem Päckchen zu greifen, wühlte ich in meiner Hose nach meinem Zippo, um es ihr, noch ehe sie dazu kam, nach ihrem eigenen Feuerzeug zu greifen, brennend hinzuhalten. Sie bedankte sich jedes Mal dafür und sah mir dabei direkt in die Augen. Einmal ging das mit dem Feuer leider schief, als ich, die Flamme bereits vor ihrer Nase, merkte, dass sie nur mit ihrem Päckchen gespielt hatte, und sie mich daraufhin ansah, als wollte sie sagen: »Du brauchst dringend einen Psychiater, Junge.«
    Ansonsten wurde ich die nächsten zwei Stunden weder von Kelly noch von Anna weiter beachtet. Und wie ich es genoss, nicht beachtet zu werden. Manchmal gibt es nichts Besseres, als nicht beachtet zu werden. Ich saß dort mit zwei atemberaubenden Schönheiten am Tisch, konnte sie beobachten und ihnen zuhören, ohne gezwungen zu sein, geistreiche Bemerkungen von mir zu geben oder witzig sein zu müssen. Was will man mehr? Leider war es mir nicht vergönnt, diesen Zustand für den Rest des Abends zu genießen. Kelly stand irgendwann auf und verkündete, dass sie mal für kleine Mädchen gehen musste. Warum tat sie mir das an? Hätte sie es nicht zurückhalten können? Sie konnte mich doch nicht mit Anna allein lassen. Mein Herz schlug bis zum Hals. Die Situation erforderte ein Gespräch. Irgendetwas Belangloses. Smalltalk. Sie sah mich erwartungsvoll an, nicht gewillt das Schweigen ihrerseits zu brechen. Ich konnte nichts anderes tun, als auf den Boden zu starren und mein Zippo nervös auf- und zuzuklappen. Ich musste etwas sagen. Ich wollte etwas sagen. Ich kam mir so lächerlich vor. Reiß dich zusammen, David! Denk nach.
    »Und, was machst du so?«
    Ich hätte mich ohrfeigen können. Von all den Standard-Smalltalk-Einstiegsfragen musste ich ausgerechnet die eine wählen, die als sicheres Eigentor zurückkommen würde.
    »Was meinst du? Beruflich?«
    »Ja ... beruflich. Oder allgemein. Egal.«
    »Ich bin Direktionsassistentin bei Toshiba.«
    »Aha. Sekretärin, also.«
    Verdammt. Erst denken, dann reden. Jetzt war sie bestimmt beleidigt. Jeder einfache Kloputzer bezeichnet sich heutzutage als Hygienefachmann für sanitäre Anlagen und ich Trottel nenne sie Sekretärin.
    „Ja«, sagte sie. Glück gehabt. »Wenn man's genau nimmt, bin ich wohl eine simple Sekretärin. Direktionsassistentin klingt nur wichtiger
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