König für einen Sommer: Roman (German Edition)
daran zu denken, ist es schon geschehen. Das liegt bestimmt an irgendeinem bescheuerten männlichen Gen. Freiwillig passiert das nicht. Ich schlug meine Beine übereinander und versuchte mir Günther Strack in Strapsen vorzustellen. Es half nicht. Mein Gehirn hatte Specialeffects entwickelt, die Günther Strack jedes Mal in Sekundenbruchteilen zu einer nackten Anna morphen ließen. Zu allem Überfluss stand Anna auch noch auf, um sich zu verabschieden.
»Es war schön, dich wieder zu sehen, Kelly. Lass uns die Woche mal telefonieren.«
»Klar. Ich ruf dich an.«
»David.«
Sie stand direkt vor mir und streckte mir wieder ihre Hand entgegen. Ich wollte aufstehen. Ich musste aufstehen. Ich war schließlich ein liebenswerter und höflich erzogener Mensch. Ich wälzte mich in meinem Stuhl und setzte zum Aufstehen an.
»Bleib ruhig sitzen. Es war schön, dich kennen zu lernen. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder. Und viel Glück mit deinem Roman. Tschüss.«
»Äh ... ja. Danke. Tschüss, Anna«, stammelte ich und ein kurzer Blick zu Kelly bestätigte meine Befürchtungen. Ihr Mund öffnete sich bereits. Sie würde alles verderben. Ich konnte nichts anderes tun, als ihr einen flehenden Blick zuzuwerfen und meinen Zeigefinger unauffällig auf meine Lippen zu pressen. Kelly hatte zum Glück verstanden und zügelte ihre Neugier, bis Anna außer Sichtweite war.
»Roman? Was für ein Roman?«
»Na ja, weißt du ... Du warst auf Toilette ... und .. . und ich wollte nur ein bisschen Eindruck schinden.«
»Und?«
»Und da hab ich ihr eben erzählt, ich sei Schriftsteller und würde gerade an meinem ersten Roman arbeiten.«
»Schriftsteller? Du?« Sie fing an zu lachen. »Und das hat sie dir abgenommen?«
»Klar! Warum denn nicht? Ich könnte Schriftsteller sein. Sie hat es jedenfalls geglaubt.«
»Schon gut«, sagte sie leise kichernd. »Sei nicht gleich eingeschnappt. Ich hoffe nur, du hast nicht die Geschichte von dem Kerl auf dem Planeten als exemplarisches Beispiel für deine Arbeit zum Besten gegeben.«
»Nein! Natürlich nicht! Was hältst du von mir?«
»Nur Gutes, David. Nur Gutes.«
Es war an der Zeit, die Frage zu stellen, die mich schon den ganzen Abend beschäftigt hatte. Die Frage, die so unauffällig ist wie ein maskierter Mann vor einer Bank und deren Hintergedanke der Unschuld einer Puffmutter in nichts nachsteht.
»Ihr wart also zusammen auf der Schule?«
»Anna und ich? Ja. Bis zur Zehnten«
»Kennst du sie gut?«
»Na ja, wir haben uns lange nicht gesehen. Aber sie schien sich nicht sehr verändert zu haben.«
»Wie ist sie so?«
»Was meinst du?«
»Na ja, das Übliche eben. Was macht sie privat so? Wofür interessiert sie sich? Hat sie irgendwelche Hobbys? Hat sie, zum Beispiel, einen Freund? Was für Musik hört sie? Welche Filme mag sie?«
»Sehr unauffällig, David.« Verdammt. Sie hatte mich durchschaut.
»Wie, unauffällig?«
»Nein, soviel ich weiß, hat sie keinen Freund.« Mehr wollte ich nicht wissen. »Warum?«
Ich wurde rot und grinste verlegen.
»Du weißt ganz genau, warum.«
»Sie gefällt dir also?«
»Ich finde sie sensationell.«
»Inwiefern?«
»Sie ist umwerfend schön.«
„Ja, sie sieht nicht schlecht aus. Ganz hübsch.«
Wie war das? Nicht schlecht? Hatte sie wirklich »nicht schlecht« gesagt, so als ob sie gerade aus dem Kino kam und den Film kommentierte? Ganz hübsch? Dass ich nicht lache! Sie war eifersüchtig. Jawohl, eifersüchtig! Kelly war eifersüchtig auf Anna. Tatsache. Punkt. Ich liebte diesen Gedanken und hielt mich an ihm fest. Was für ein Abend. Erst diese physische Sensation in Gestalt von Anna und jetzt noch diese lang ersehnte Gefühlsregung von Kelly. Ich brauchte unbedingt mehr davon.
»Hast du ihre Adresse? Ich möchte ihr gerne aus Spanien schreiben.«
»Du willst ihr schreiben? Du kennst sie doch kaum!«
Bingo.
»Na und? Vielleicht freut sie sich ja trotzdem über eine kleine Karte. Hast du die Adresse oder hast du sie nicht?«
„Ja, okay ... Augenblick.«
Sie kramte in ihrem Portmonee nach Annas Visitenkarte und schrieb die Adresse auf einen Bierdeckel.
»Hier. Tu, was du nicht lassen kannst«, brummte sie, ohne mich anzusehen. Ich hätte sie am liebsten für ihre schlechte Laune umarmt.
»David?«
Sie sah mich mit traurigen Augen an, wie ein Kind, wenn es das zerbrochene Fenster des Nachbarn beichten musste.
„Ja?«
Lass es raus, Kelly. Gestehe mir deine Liebe. Alles wird gut. Bis ans Ende der Welt.
»Sei mir
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