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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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da drüben zu mir dringt. Ich rufe den Nachbarn nichts zu, vielleicht später, ein anderes Mal. Ich will hier weiter doch nichts verändern, will nur vom Lachen und Seufzen und Trippeln von Füßen da unten anderswohin gerufen werden. Zu jemand anders, in den Augenblick des ersten Vergessens, an das ich mich erinnern kann, in das Zögern einer Bewegung, ins Streichen von Händen über den Rockstoff. Das war alles an ihr, was gesprochen hat. Das war, und wenn es mir niemand glauben wird, Agnes’ Umgehen mit fremden Gedanken, mit den Buchstaben, Silben und Lauten, die stecken blieben im Hals und davon flogen, während die Lehrerin sie an die Tafel schrieb. Das war das Vergehen der Gegenstände und Möbel rings um die Frau. Man müsste, um sie zu beleben, den Fuß aus dem Rock hervor schieben und mit ihm sacht auf den Holzboden stampfen. Aber muss ich denn hier sein? Muss ich? Sie braucht mich nicht mehr, nichts, was sie ans Zimmer bindet. Lautlos spricht sie ihren Brief hinüber und hinunter, die Erinnerung an das Unbestimmte, in das sie übergeht und das vor ihr liegt, alles, was in den Worten schwingt, die, von fremder Hand geschrieben, von anderer Hand auf zerbrechlichen Ton übertragen, hier an meiner Zimmerwand hängen. Die Frau am Fenster wird sie vor sich hersagen, später, und während sie spricht, ohne zu können, wird das Dunkle hier, der Schatten, den sie selber wirft, immer heller und heller, und die Sessel und der Tisch und der Schrank mit Hut und Mantel beginnen langsam zu tanzen. Was für eine Stimmung, was für ein Fest! Was für ein Licht, das auf den Boden fällt und hervorhebt, was niemand gesehen hat: Agnes, die mit den Händen über den Rock strich, an einem frühen Nachmittag? Und aus dem Gedicht an der Wand die Angst und die Sehnsucht vor allem? Winkt da ein Unbekannter von der Straße? Soll ich? Und da lassen, was auf dem Tisch liegt, Brot vielleicht und ein Blatt für meine Gedanken zu den fremden Gedanken. Ich sage ja, es wird Zeit, ein paar Veränderungen in meinem Zimmer vorzunehmen und die stille Freude zu locken, die ich empfand, als ich hier ankam, hier, wo mein Denken und Verstehen immer noch feiner werden. Um fast nichts mehr zu brauchen? Nur die Worte von der Wand und das Licht aus dem Bild, die Lampe, die sich in lodernde Flammen verwandelt und jemanden, der, wie ich, weiter nichts tut als hinaus zu sehen?
    Aufwachen, Lina! Aufwachen? Ja, aufwachen. Der Tisch sieht mich an, als erwarte er etwas von mir, genau wie die weißen Blätter. Nein, ich werde zu der mir von Professor Stein aufgegebenen Frage keinen Aufsatz verfassen, wozu auch, er würde wohl nur den Turm auf dem Schreibtisch in ihrem Büro zum Wanken und Stürzen bringen. Vielmehr werde ich das Bild an meiner Wand noch einmal kopieren und Agnes hineinzeichnen, vielleicht hinter die Frau am Fenster. Oder auch nur eine Hand, die über Stoff gleitet, über einen Rockstoff? Oder aber Fußspuren, ganz zarte? Es wäre auch möglich, dass ich einen einzigen Satz hineinschriebe, etwa: Ich bin hier gewesen . Ich war hier, in diesem Zimmer, und werde immer wieder kommen. Kaum trete ich über die Schwelle hier hin, kaum höre ich die Flammen lodern und tauche meinen Kopf ins helle Licht, hinaus und anderswohin, geht die Scham von mir fort, die mich überfiel, als ich wieder und wieder Agnes’ Hände über den Rock streichen hörte und ihren Kopf sich senken sah. Wohin ging der Blick, wohin die Füße, die etwas im Boden versenkten? Ob Jakob eine Ahnung hätte?
    Lieber Jakob, ich stütze meine Ellbogen auf den Tisch und lege das Kinn in die Hände. Nein, hab keine Angst, natürlich mache ich auch Spaziergänge und laufe in den Gassen und Straßen und Alleen herum und freue mich sehr, wenn die Äste der Bäume wie gezeichnet aussehen und die Fassaden der Häuser mich an wildfremde Gegenden erinnern, die ich nur aus meinen Träumen kenne. Ich fühle mich dann beinahe zuhause, als berührten sogleich meine Fingerspitzen, wenn ich nur den Arm höbe, Deine Tür, und Du öffnetest sie und hieltest mich einen Augenblick ganz umfangen, nur ganz kurz. Das geschieht, wenn ich die Augen schließe, wie überhaupt so viel Schönes geschieht, wenn ich mich nicht auf das verlasse, was sich hier abspielt. Im langen Korridor streifte mich Professor Icks und rief: »Heute, Lina Lorbeer, heute sind Sie ja guter Dinge, nicht wahr? Das letzte Mal, als sich unsere Wege kreuzten, schienen Sie ja aus allen Wolken zu fallen.« Aber Jakob, die Wahrheit ist,

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