König Mythor
Unvorhergesehenes geschehen war.
Als er den Tempel erreichte, traten ihm Krieger entgegen, die er bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Es war nicht die Rede davon gewesen, dass jene, die in der Nacht gegen die Pflanzen gekämpft hatten, abgelöst werden sollten.
Sie hatten Armbrüste auf ihn gerichtet und ihre Schwerter drohend erhoben.
Mythor erschauerte. Kalathee stieß einen erstickten Laut aus. Mythor fühlte Zorn in sich aufsteigen und deutete die feindselige Haltung der Männer dahin gehend, dass sie Kalathee als Unbefugte ansahen.
»Lasst den Unsinn!« fuhr er sie an. »Herunter mit den Waffen! Wo ist Hapsusch?«
»Der Lebensgärtner ist in den Irrgarten gegangen«, antwortete einer. »Zum Baum des Lebens mit dem neuen König.«
Mythor zuckte unmerklich zusammen.
»Was redest du da?« presste er, mühsam um seine Beherrschung ringend, hervor. »Ich bin der, den ihr zu eurem König machtet! Mit mir ging Hapsusch zum Baum des Lebens, wo ich auf ihn wartete. Er ging hierher zurück. Wo ist er jetzt?«
Der Krieger kam drohend auf ihn zu. Ein halbes Dutzend Armbrüste waren auf Mythors Brust gerichtet.
»Du bist der, den man den Sohn des Kometen nennt? Seltsam, wir alle sahen Hapsusch mit dem König in den Irrgarten gehen, aber der Sohn des Kometen warnte uns vor einem Betrüger.«
Mythor fiel es wie Schuppen von den Augen. Dieser andere, der sich für ihn ausgab, musste also Luxon sein! Und Hapsusch war in seiner Gewalt. Diese Männer hatten ihn noch nicht selbst zu Gesicht bekommen. Sie mussten glauben, einen Betrüger vor sich zu haben!
»Wartet!« rief Mythor, als sich zwei der Krieger anschickten, ihn zu packen. Er riss Alton in die Höhe. »Bleibt, wo ihr seid! Wo sind Hapsuschs Diener und die Krieger, die mit mir gegen die Dämonenpflanzen kämpften?«
»Wir haben sie abgelöst, nachdem es uns gelang, eine Bresche durch die Gewächse zu brennen.«
»Und Hapsusch hat das veranlasst?«
»Der König«, sagte der Sprecher der Krieger. »Der Sohn des Kometen.«
Mythor musste an sich halten, um dem Leoniter nicht die Klinge aus der Hand zu schlagen. Ein Bolzenhagel wäre die Antwort gewesen. Er sagte schnell: »Ihr selbst seid einem Betrüger aufgesessen. Sie wird es euch bestätigen und euch sagen, wer ich bin!«
Dabei drehte er sich um und wollte Kalathee zu sich ziehen.
Er starrte ins Leere. Schnell sah er sich um. Weit und breit war nichts von der ehemaligen Weggefährtin zu sehen, und jetzt erst erkannte Mythor, was wirklich geschehen war. Wie ein Tölpel hatte er sich täuschen lassen! Er hätte stutzig werden müssen, als Kalathee so plötzlich auftauchte.
Maßloser Zorn überkam ihn. Er machte einen Schritt zurück, sah hinüber zum Baum des Lebens, wo Luxon jetzt schon sein mochte, und schrie: »Wohin ist sie gegangen? Warum habt ihr sie ziehen lassen? Sie ist mit dem Betrüger im Bunde!«
Das grimmige Lächeln im Gesicht des Leoniters erstarb. Kalt sagte er: »Dein Spiel ist aus! Es geschah genauso, wie der König es uns voraussagte. Du kamst mit einem der Flüchtlingsweiber, die vor den Mauern Leones ihr Lager aufgeschlagen haben, um sie als Geisel zu benutzen. Sie ist in Sicherheit vor dir.« Er gab den um Mythor postierten Kriegern einen Wink. »Packt und bindet ihn!«
Mythor sprang zurück. Er hatte keine Zeit, diesen Irregeleiteten zu beweisen, wer er war. In diesem Moment mochte Luxon in den Baum des Lebens steigen, und Hapsusch schwebte in höchster Gefahr.
Da rief eine bekannte Stimme: »Haltet ein! Wollt ihr euren König töten?«
Mythor fuhr herum. Die Leoniter ließen ihre Armbrüste sinken, als Viliala sich vor ihn stellte. Hinter ihr kamen Buruna und Lamir.
Mit zornigen Worten überzeugte Viliala die Krieger von ihrem Irrtum und schickte sie fort, um den Dämonenpflanzen weiter mit Feuer zu Leibe zu rücken. Wie geprügelte Hunde schlichen sie sich davon, Mythor bedauernde Blicke zuwerfend.
»Es waren ausgerechnet die Krieger«, sagte Viliala, »die Hauptmann Nahir uns mitgab. Wir versuchten, bei Nacht die Pflanzen zu umgehen, aber es war zwecklos. Erst nach Sonnenaufgang konnten wir uns eine Bresche schlagen.«
Mythor verstand. Nur kurz wunderte er sich über Vilialas verändertes Auftreten, und als er die sehnsüchtigen Blicke sah, die sie Lamir zuwarf, dazu noch den Liebesknoten am Ellbogen des Barden, begriff er.
Allerdings blieb ihm keine Zeit für die Freunde. Buruna machte auch erst gar nicht den Versuch, ihn aufzuhalten. Kalathee war verschwunden,
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