König Mythor
nachdem sie ihm ihr heuchlerisches Märchen erzählt und so, seine Gefühle ausnutzend, Zeit für Luxon gewonnen hatte.
Erst jetzt wurde Mythor klar, dass sie niemals den Weg zu ihm gefunden hätte, wäre nicht auch sie bestäubt gewesen. Sie war dabei gewesen, als Luxon Hapsusch überwältigte. Jetzt mochte sie irgendwo in einem Versteck auf ihren Schatz warten.
»Bleibt hier!« forderte er Viliala, Lamir und Buruna auf. »Wartet auf mich und seid wachsam! Sollte Luxon oder Hapsusch...«
»Wir kamen doch, um dich zu warnen, Mythor!« rief Buruna aus. Es hielt sie nicht mehr. »Lamir und ich wissen, wie Luxon aussieht! Und auch du weißt es! Es ist Arruf. Du bist ihm auf dem Floß begegnet!«
»Arruf?«
»So ist es, Geliebter! Nimm dich in acht, denn er hat Akinlayer für sich gewonnen!«
»Die wohl kaum mit ihm zum Baum des Lebens gegangen sind. Eher werden sie irgendwo versteckt warten, um ihm später die Flucht zu ermöglichen. Schick einen Krieger zum Palast, um Verstärkung zu holen. Alle Wege, die aus dem Lebensgärtchen herausführen, müssen bewacht sein! Und lass Wolvur unterrichten!«
»Er wird weitergezogen sein«, sagte Buruna. »Ich warnte ihn vor der Nacht.«
Mythor küsste Buruna zum Abschied und entwand sich ihrer Umklammerung. Mit ihren Warnungen im Ohr machte er sich mit weiten, schnellen Schritten zurück auf den Weg zum Baum des Lebens. Grimmige Entschlossenheit stand in seinen Zügen geschrieben, als er zum Himmel aufblickte, der plötzlich verschleiert war. Kein Lufthauch ging, und der schnell aufgezogene Hochnebel ließ keinen Sonnenstrahl mehr durch.
Es schien, als wollten unheimliche Mächte das Licht bannen. Dunkle Ahnungen beschlichen Mythor, und er begann zu laufen. Die Klinge hielt er so fest umklammert, dass seine Handknöchel weiß hervortraten.
Bald fand er Hapsusch im Heckenlabyrinth liegend. Der Lebensgärtner atmete schwer und blutete aus einer Kopfwunde. Bis auf die graue Unterkleidung war er nackt.
Mythor sah zum Baum hinüber, unsicher, ob er sich noch um Hapsusch kümmern durfte. Der Greis sah ihn aus blutunterlaufenen Augen an und winkte, dass er weiterlaufen solle. »Er hat mir selbst mein Gewand gestohlen! Hole ihn ein, Mythor, bevor er den Heiligen Baum entweiht! Kümmere dich nicht um mich!«
Erst nach nochmaliger Aufforderung rannte Mythor weiter, von Bitterkeit, Zorn und Angst getrieben. Dennoch ertappte er sich dabei, wie er Luxon insgeheim fast bewunderte. Er verstand sich selbst nicht, was seinen Zorn nur noch größer machte. Der andere hatte ihn genarrt, als er sich als Arruf ausgab. Der Gedanke daran, seinem Widersacher so nahe gewesen zu sein, war niederschmetternd.
Mythor erreichte den Baum des Lebens unangefochten. Die Löwen wichen vor ihm zurück, und das Knistern und Rauschen, das jetzt über ihm anhob, bewies, dass Luxon den Baum bereits bestiegen hatte.
Mythor steckte das Gläserne Schwert in die Scheide zurück. Ohne noch länger zu zögern, legte er die Hände um eine Luftwurzel und begann, daran hochzuklettern. Er schob den Kopf durch das Blätterdach, bekam einen starken Ast zu fassen und brachte seine Knie darauf. Er schob sich in die Höhe.
Vor ihm tat sich eine Welt auf, wie er sie sich phantastischer kaum vorstellen konnte.
Es war kein Baum, keiner jedenfalls, wie Mythor ihn jemals gesehen hatte. Es war wahrhaftig eine Welt für sich, eine Welt aus Ästen und Blätterwerk, so dicht ineinander verschlungen, dass sie regelrechte Böden, Decken und Wände bildeten. Eine grüne, lebende und bewegte Welt aus Hunderten, ja Tausenden von Kammern, Durchlässen, selbst Stufen, die von einer Etage hinauf zur anderen führten.
Mythor fasste es nicht. Stumm vor Ehrfurcht und Staunen stand er da, das Fläschchen mit dem Salz in der rechten Hand. Alton steckte in der Scheide. Dies war kein Ort zum Kämpfen. Vollkommene Stille war um ihn herum. Die Wächter des Baumes, sollten sie ihn aus ihren Verstecken heraus beobachten, rührten sich nicht. So still war es, dass Mythor an Hapsuschs Warnungen zu zweifeln begann.
Er stand auf dem Ast, eine Hand noch um die Luftwurzel. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf das Blätterwerk, das von anderen, dünneren Ästen durchzogen war. Dies alles bildete ein Geflecht, und er konnte darauf stehen.
Die Blätter und feinsten Ästchen trugen ihn, sein ganzes Gewicht!
Niemals konnten sich diese Hohlräume auf natürliche Weise gebildet haben, wenn nicht ein gewaltiger Plan dahintersteckte. Für Augenblicke hatte
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