König Mythor
sich näherte, desto stärker wurde der berauschende Duft, der diesen Teil des Palastes erfüllte.
Mythor hielt Hapsusch am Arm fest. Ihm schwante Arges. »Sag mir, Lebensgärtner, wohin bringst du mich?«
Hapsusch sah ihn so befremdet an, dass Mythor sich wünschte, die Frage nie gestellt zu haben.
»Es ist Brauch in Leone«, sagte der Greis, »dass die Könige vor der Thronbesteigung gesalbt, gebadet, massiert und eingekleidet werden. Seit Tagen bereiten sich die Hofjungfern und Schneider auf nichts anderes vor.«
Ein unüberhörbarer Vorwurf lag in den Worten des Alten. Natürlich war die Kleidung, in der Mythor steckte, nicht die eines Königs, und ein Bad konnte er auch dringend brauchen, doch.
»Ich erwarte die Kuriere zurück«, sagte Mythor.
»Du wirst alles erfahren, was du wissen musst. Nun komm!«
Irgendwo kicherten Jungfrauen. Mythor kam sich fehl am Platz vor. Hapsusch behandelte ihn wie einen Dahergelaufenen, den zu »betreuen« seine leidige Aufgabe war. Seine Überheblichkeit und Ablehnung machten Mythor zornig.
Doch es war klüger, vorerst mitzuspielen. Wenn Hapsusch solche Macht in Leone hatte, sollte er in der Zwischenzeit auch dafür sorgen können, dass die Stadt sich gegen die Dämonenpflanzen verteidigte.
Also ließ er sich in einen Raum führen, aus dem ihm duftende Dämpfe entgegenschlugen. Verschleierte Jungfern erwarteten ihn. Hapsusch gab ihnen flüsternd Anweisungen und zog sich zurück.
Mythor atmete auf. Und schon griffen zierliche Hände nach ihm und zogen ihn aus. Bevor er sich's versah, lag er in einer mit warmem Wasser gefüllten Wanne und wurde gewaschen, massiert und mit stark duftenden Ölen eingerieben.
Mythor vergaß die Welt um sich herum, spürte nur noch den leichten Druck und das Streicheln zarter Hände auf seiner Haut und ließ sich verwöhnen. Er genoss die Sonnenseiten seines Königtums.
Die Schattenseiten würde er ohnehin früh genug kennenlernen.
Als Mythor dem Lebensgärtner eine gute Stunde später wieder gegenüberstand, trug er weite weiße Kleidung aus Samt, eine Bluse mit dem aufgestickten Symbol des Löwen, bis zu den Knien reichende Hosen mit großen Taschen darin und einen purpurroten Umhang. Schnabelschuhe saßen anstelle der Stiefel an seinen Füßen, und sein Haar fiel in Locken auf die Schultern.
Zum erstenmal sah er so etwas wie widerwillige Anerkennung im Blick des Greises. Hapsusch wies schweigend auf einen mit weißem Pelz überzogenen Hocker und setzte sich selbst erst, nachdem Mythor Platz genommen hatte.
Einer der Schneider, die ihn angekleidet hatten, hatte ihn hierhergeführt - in eine kleine Kammer und nicht, wie Mythor erwartet hatte, in den Thronsaal. Er ahnte, dass er von Hapsusch nun die Antworten auf die Fragen erhalten sollte, die ihn beschäftigten. Und er fühlte sich frisch genug, um die Anwesenheit des missmutigen Alten eine Weile ertragen zu können. Das Pergament saß da, wo er es auch unter dem Wams getragen hatte, genau über seinem Herzen.
Hapsusch ließ ihm die Zeit, sich umzusehen. Sie befanden sich allein in der Kammer, und wie Mythor mit einem Blick aus dem einzigen kleinen Fenster feststellte, in einem der Türme des Palastes. Von hier aus hatte er einen einigermaßen guten Überblick über einen Teil der Stadt, und alles dort unten schien ruhig zu sein.
Mythor setzte sich wieder, betrachtete kurz die geschmückten Wände und bestaunte ein gläsernes Gefäß, in dem kleine Fische schwammen.
»Sie stammen aus dem Sarro«, erläuterte Hapsusch. »Du wirst noch Gelegenheit haben, dir den Fluss anzusehen, der aus den Karsh-Bergen kommt und in der Spirischen Bucht in den Ozean mündet. Er durchfließt die Stadt.«
Mythor nickte. Dann blickte er Hapsusch scharf an.
»Also«, begann er. »Bevor du mir sagst, wie einer, der noch nie zuvor in Leone war, dazu kommt, zum König gemacht zu werden - hast du Nachrichten aus der Stadt?«
»Das Stadtviertel, in dem die Dämonenpflanzen angriffen, ist so gut wie eingeäschert. Im Augenblick scheinen die Pflanzen zu ruhen. Sie konnten nicht alle durch Feuer vernichtet werden, aber ihr Same fiel auf brennende Erde. Die Krieger stellten sich auf den Kampf mit Feuer ein.«
»Ihr habt also mit dem Auftauchen der Pflanzen gerechnet?«
»Schon lange, bevor du kamst, Mythor. Wir beobachteten, wie sie ihre Wurzeln unter der Erde immer weiter nach Leone vortrieben.«
Hapsusch blickte ihn eindringlich an, dann stand er auf und ging zum Fenster.
»Du weißt, dass tausend
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