Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
einen Esel, geliebter Bruder! Wie willst du meinem Buben das Kunstreiten beibringen, wo du selber auf Schusters Rappen reisest!
DER KUNSTREITER. Du bist mißtrauisch, als hattest du Fässer voll Gold zu Hause liegen! Dabei weißt du allem Anschein nach nicht, wo und wann du zum letztenmal warm gegessen hast! So bringt man's freilich zu nichts! Wir treffen in dieser Nacht auf der Elendenkirchweih mindestens ein halbes Dutzend Zirkusmeister. Sie alle kommen dorthin, um Künstler zu finden, die bei ihnen auftreten. Dann wirst du armer Teufel sehen, wie man sich um meine Person reißt und wie einer den andern mit dem Handgeld überbietet! Denen bin ich Gott sei Dank nicht so unbekannt, wie euch Bänkelsängern! Und stehe ich wieder bei einem im Dienst, dann habe ich Pferde genug, daß sich dein munterer Bub, wenn er Lust dazu hat, gleich am ersten Tage den Hals brechen kann!
DER KÖNIG. Sag mir, Bruder, finden sich auf der Elendenkirchweih auch Theaterbesitzer ein?
DER KUNSTREITER. Auch Theaterbesitzer, jawohl! Aus dem ganzen Land kommen die Theaterbesitzer zusammen. Wo wollten sie sonst ihre Tänzerinnen und Hansnarren hernehmen! – Freilich, Bruder, ob dich einer in Dienst nimmt, scheint mir sehr zweifelhaft. Du siehst mir nun wirklich gar nicht danach aus, als ob du Possen reißen könntest!
DER KÖNIG. Es gibt aber auch eine erhabene Kunst, die man Tragödie nennt!
DER KUNSTREITER. Tra-Tra-Tragödie, ja! Den Namen habe ich gehört! – Auf diese Kunst, lieber Bruder, verstehe ich mich ganz und gar nicht. Nur eines weiß ich von ihr, daß sie herzlich schlecht bezahlt wird. –
Zu Alma.
Nun, mein braver Knabe, trachtet dein Gaumen nicht nach besserem Futter? – Willst du die Kunstreiterei bei mir erlernen?
DER KÖNIG
sich erhebend.
Vorwärts, Bruder, daß wir die Elendenkirchweih nicht noch versäumen! Nur einmal im Jahre bietet das Glück uns die Hand.
Alle drei ab.
Siebentes Bild
Hochgericht.
Nacht. – Im Hinter gründe ragt der Galgen empor. Links vorn, am Fuß einer knorrigen Eiche, liegt ein Felsblock, der den Auftretenden als Podium dient. Um den Felsblock lagern die Zuschauer, Männer, Weiber und Kinder, in phantastischen Trachten.
CHORUS
von Tamburin begleitet.
Auf dem Dorf und in der Stadt
Schnarchen alle Menschen hinter dichtgeschloßnen Fenstern;
Und was Haus und Bett nicht hat,
Dreht sich unterm Hochgericht mit fröhlichen Gespenstern!
Aus der Sonne Glanz verbannt,
Finden leisen Schrittes wir des Glückes Spur im Dunkeln
Und sind Herrn im weiten Land,
Wenn vom hohen Himmel die Gestirne freundlich funkeln.
EIN THEATERBESITZER
mit Baßstimme redend zu einem Schauspieler.
Zeig mir, was du gelernt hast, mein werter junger Freund! Hie Rhodus hic salta! Was ist dein Fach?
DER SCHAUSPIELER. Ich mache den Bajazzo, verehrter Meister.
DER THEATERBESITZER. Dann mach den Bajazzo, junger Freund. Aber mach ihn gut! Difficile est, satiram non scribere! Mein Publikum ist nur das Allerbeste gewöhnt!
DER SCHAUSPIELER. Ich werde sofort eine Probe meiner Kunst ablegen.
DER THEATERBESITZER. Wenn du Gefallen vor meinen Augen findest, junger Freund, dann hast du hundert Soldi pro Monat. Pacta exacta – boni amici! Geh, junger Freund, und leg deine Probe ab!
Der Schauspieler besteigt den Felsen. Er wird von der Menge mit Klatschen und Bravorufen begrüßt.
DER SCHAUSPIELER
bricht zuerst in Gelächter aus; dann spricht er die nachfolgenden Verse, jeden derselben mit einer anderen Art von Gekicher
begleitend.
Graf Onofrio war ein Graf,
Dumm war er wie ein Schaf.
Er hatte sieben Töchter,
Die gerne verheiraten möcht er;
Es zeigte sich aber kein Freier –
Faule Eier! Faule Eier!
DIE ZUSCHAUER
haben den Vortrag mehrfach durch Zischen und Pfeifen unterbrochen. Die letzten Worte werden von ihnen wiederholt.
Faule Eier! Faule Eier!
DER THEATERBESITZER
der dem Felsen gegenüber auf einem Baumstumpf steht, den Lärm überbrüllend.
Nieder mit dem Kerl! Apage Gott der Herr hat ihn in seinem Zorn geschaffen! Alea est jacta!
Der Schauspieler verläßt den Felsen.
CHORUS.
Glaub nur nicht, o Menschenbrut,
Daß in eitel Träumen unser Dasein wir verläppern!
Weißt doch nicht, wie Liebe tut,
Wenn vom lichten Galgen die Gerippe dazu scheppern!
Der König, Prinzessin Alma und eine Kupplerin treten auf.
DIE KUPPLERIN. Nun, Bänkelsänger, wieviel verlangst du von mir für deinen hübschen Buben? – Höre den lieblichen Klang der
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