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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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zurück wie ein verwundeter Wolf, der in seine Höhle floh.
    Anno starrte noch immer auf die Flammen, die auf dem Wasser trieben, ohne zu verlöschen. »Was ist das für ein Teufelszeug?«
    »Eines der Geheimnisse Konstantinopels«, entgegnete Zenon ernst. »Die Goldene Stadt mag viel von ihrer Macht verloren haben, doch wehe dem, der glaubt, wir seien wehrlose Beute für kühne Eroberer!«

20

    Es war der Tag der heiligen Brüder Ewald, der dritte Tag des Oktober im Jahr des Herrn 1162. Die Gebeine der Heiligen ruhten in Sankt Kunibert in Cöln. Ein gutes Omen, dachte Heinrich! Die Heiligen waren von Bischof Anno entdeckt worden. Und auch sie hatten einen Anno in ihren Reihen. Schmunzelnd blickte er zu dem Sennberger, der es kaum erwarten konnte, das Schiff zu verlassen. Sie waren in Escalon, einen schwerbefestigten christlichen Hafen an der Küste Palästinas, eingelaufen. Heinrich hatte die Überfahrt gutgetan. Über vier Wochen waren sie auf See gewesen, unterbrochen nur von zwei kurzen Aufenthalten in Rhodos und Famagusta. Heinrich war wieder zu Kräften gekommen, und seine Wunde an der Schulter war fast verheilt. Er wusste selbst nicht, ob
es an den Gebeten Zenons, dessen Kräuterumschlägen oder der Seeluft lag. Gott hatte ihm ein zweites Leben gewährt! Er würde es wohl zu nutzen wissen. Es war noch ein gutes Omen! Es war ihm bestimmt, hierher ins Heilige Land zu kommen.
    Ein mächtiger Festungsturm überragte den Hafen von Escalon. Auf seiner Spitze wehte ein rotes Banner mit einem weißen Kreuz. Es war die Fahne des Ritterordens des Hospitals vom heiligen Johannes von Jerusalem, des zweiten großen Ordens im Heiligen Land. Wie die Benediktiner und Augustiner trugen sie schwarze Kutten als Ordenstracht.
    Selbst Ludwig machte keine anzüglichen Späße, als sie das Schiff verließen. Ohnehin war sein Gefährte in den Wochen auf See ungewöhnlich still gewesen. Stundenlang hatte er am Bug gestanden, auf das Meer gesehen und mit niemandem gesprochen. Aber jetzt wird sich alles ändern, dachte Heinrich hoffnungsvoll. Er dachte an den Frühling vor anderthalb Jahren, als sie in die Lombardei gekommen waren. Hätte Rother nur jetzt an ihrer Seite sein können … Das Heilige Land! Heinrich hatte das Gefühl, sein Herz müsse zerspringen vor Freude! Vielleicht hatte genau hier, an diesem Küstenstreifen, einst Moses gestanden?
    Die Hafenmole war mit rissigen Steinplatten gepflastert. Säcke und Fässer mit Waren stapelten sich ringsherum. Menschen liefen durcheinander. Wesentlich anders als in den anderen Häfen, die sie auf ihrer langen Reise angelaufen waren, wirkte dieser Boden hier allerdings nicht, dachte der Ritter ein wenig ernüchtert. Und dennoch war es heiliger Boden!
    Neugierig sah sich Heinrich um. Sein Blick suchte nach
einem Kirchturm. Er musste beten, um nicht vor Glück zu vergehen. Seine Kameraden kümmerten sich darum, die Pferde von Bord zu bringen. In der nächsten Stunde würde ihn gewiss niemand vermissen!
     
    Als sie Escalon durch das Jerusalem-Tor verließen, ritt Anno unmittelbar hinter Zenon. Sie folgten der Straße entlang der Küste. Hier entdeckten sie Haine mit seltsamen kleinen Bäumen. Anno hatte sich Outremer anders vorgestellt, viel grüner und fruchtbarer. Wie konnte Gott seinem auserwählten Volk eine solch trockene Wüste zum Geschenk machen.
    Mit jedem Tag der Reise war Annos Misstrauen Zenon gegenüber gewachsen. Seit der Flucht aus Konstantinopel hatte der griechische Mönch bestimmt, wohin sie gingen und was zu tun war, ohne ein Wort über sein Ziel zu verlieren. Anfangs hatte Anno das noch geduldet. Wie hätten sie auch sonst aus Konstantinopel herauskommen sollen? Doch jetzt war er mit seiner Geduld am Ende. Sobald der Mönch ihm auch nur den geringsten Anlass zum Streit lieferte, würde er sehen, was es hieß, Anno von Sennberg zu reizen.
    Nur zwei Tage hatten sie sich in Escalon aufgehalten, gerade lange genug, um Pferde für Heinrich und den Mönch zu kaufen, zwei Maultiere und Proviant. Zenon hatte allerdings noch etwas anderes in der Stadt beschafft. Schon gestern war Anno ein merkwürdiger Korb aufgefallen, der immer mit einem Tuch verhängt war. Es schienen Vögel in dem Korb herumzuhüpfen. Aber wozu nahm der Mönch Vögel mit auf ihren Ritt? Zenon war zweimal allein in Escalon unterwegs gewesen, und er hatte darauf bestanden, auch
in dem Pilgergasthaus einen Raum für sich alleine zu haben! Manchmal kam der Mönch Anno wie ein gefährlicher Zauberer vor. Was

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