Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
als ein Held ausgebe, muss ich doch lügen. Damit verstoße ich gegen ein Gebot Gottes.«
Der Archipoeta blickte wie ein Habicht auf ihn hinab. »Willst du behaupten, ich hätte dich im Namen Gottes zur Lüge angestiftet?«
»Nein, aber …«
»Schweig, du unbedarfter Knabe!« Der Mönch kratzte sich am Kopf und lächelte plötzlich. »Ja, sage am besten gar nichts. Das Reden werden schon die anderen für dich erledigen. So verstößt du gegen kein Gebot und behältst ein reines Gewissen. Und nun beeile dich! Ich bin sicher, man wartet im Zelt des Erzbischofs schon auf dich. Erdulde, dass man dort gut von dir reden wird!« Er lachte. »Schließlich können sie nicht dein Pferd für seinen Mut zum Ritter machen.«
Rother erhob sich und blickte unsicher zu dem Mönch auf, der beinahe einen ganzen Kopf größer war als er. »Und meine Buße?«
Der Archipoeta seufzte. »Wie du willst.« Er schlug ein Kreuz über dem Haupt des Jungen und murmelte feierlich.
»Ego te absolvo. Du wirst hundert Vaterunser beten und die nächsten drei Wochen jeden Abend mein Pferd striegeln und zur Tränke führen.«
Rother starrte den Mönch mit großen Augen an. »Von so einer Buße habe ich noch nie gehört.«
»Für dich bin ich der Mund Gottes«, ermahnte ihn der Archipoeta streng. »Buße, das kommt von büßen! Ist es vielleicht so, dass du gerne Pferde striegelst?«
Der Junge blickte verlegen zu Boden. »Ich war nur verwundert.«
»Dann wirst du mein Pferd striegeln und versorgen, bis dieser Feldzug zu Ende ist.«
»Aber eben habt Ihr doch noch gesagt …«
»Indem du mit einem Mönch über Buße und Absolution feilschst, versündigst du dich! Dir tut Buße not, mein Junge! Und jetzt mach dich auf zum Zelt des Erzbischofs. Ich möchte nicht, dass ihm am Ende noch jemand steckt, die ganze Gesellschaft hätte warten müssen, weil du mit mir ein Schwätzchen gehalten hast!«
»Herr, seht, was wir in den Büschen gefunden haben!«
Heinrich lief mit langen Schritten den Hügel zu den Vorposten hinab. Die zwei Wachen hatten ein Mädchen aufgegriffen, das sich fluchend gegen sie zur Wehr setzte.
»Eine rechte Wildkatze haben wir hier!«
Die Gefangene trug ein fein besticktes Gewand. Unter der Haube quollen lange Haare hervor. Sie war nicht sehr groß, aber dafür umso temperamentvoller.
»Lasst sie los, ihr Trottel! Selbst im Mondlicht kann man erkennen, dass sie kein Bauernmädchen ist.«
Heinrich winkte den beiden Waffenknechten, wieder auf
Posten zu gehen, dann wandte er sich an das Mädchen. »Ich werde dich ins Lager zurückbringen.«
Ihr Gesicht war in der Dunkelheit kaum zu erkennen, doch er wusste auch so, wen er hier vor sich hatte. Schon mehrfach war ihm aufgefallen, wie Annos Tochter sich davonstahl, um an einem stillen Ort zu den Sternen zu blicken und dem Flüstern des Windes zu lauschen. Das Auftauchen der Bogenschützen am Morgen hatte jedoch allzu deutlich gezeigt, dass die Zeiten des friedlichen Reisens vorbei waren.
»Du solltest dich nach Einbruch der Dämmerung nicht so weit aus dem Lager hinauswagen, Clara. Was hast du dort unten im Gebüsch gemacht?«
»Ich war spazieren«, entgegnete sie knapp.
»Dein Vater weiß gewiss davon.«
»Gewiss, aber …« Ihre Stimme klang nun ein wenig unsicher. »Aber es wäre nicht gut, wenn Ihr ihn heute noch wecken würdet, nur weil ich zu seinen Zelten zurückkehre. Er hatte einen sehr schweren Tag und …«
»Ich weiß«, entgegnete Heinrich lächelnd. »Ich war dabei.«
»Verzeiht, Herr«, flüsterte sie hastig. »Wie unbedacht von mir.«
Sie hatten die Kuppe eines kleinen Hügels erreicht. Heinrich blieb stehen und blickte über das Heerlager, das sich zu ihren Füßen entlang einem seichten Fluss erstreckte. Fast wie Sterne, die vom Himmel gestürzt waren, funkelten Hunderte von Lagerfeuern in der Ebene. Kerzenlicht ließ die bunten Zelte der Fürsten wie riesige Festlaternen erstrahlen. Gedämpftes Lachen klang in der Ferne und trauriges Lautenspiel. Man mochte meinen, die rheinische Ritterschaft
habe sich zum Turnierspiel und nicht zum Krieg um ihren Erzbischof gesammelt. Heinrich spürte, dass Clara ihn anschaute.
»Ihr seid der einzige Ritter, der einen Bart trägt. Und Ihr wirkt immer so entrückt, als wolle ein alter Kummer Euch nicht aus den Gedanken gehen. Mein Vater sagt auch, dass Ihr Euch jeden Abend zur Wache meldet und Ihr die Gesellschaft der anderen flieht. Warum?«
»Du verstehst es, einen Mann mit Fragen härter zu bedrängen, als
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