Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
gelauscht hatte, beugte sich vor, damit sie den Herrn von Sennberg besser sehen konnte.
»Du sorgst mir dafür, dass meine Tochter sich an meine Befehle hält. Ich will keine kleine Mohrin nach Pavia bringen.«
Ihr Vater lächelte, als habe er ihre Gedanken lesen können. Es war am klügsten, das Thema zu wechseln. Sonst würden sie noch in Streit geraten. »Wie gut kennst du den Herrn Heinrich von Friesheim, Vater?«, fragte sie im unschuldigsten Tonfall.
»Er war vor zwei Jahren auf dem Kriegszug gegen Crema noch nicht dabei. Vor den Mauern der Stadt sind damals zwei seiner Brüder gefallen. Nun ist er der Letztgeborene von fünf oder sechs Söhnen. Sein Vater hat ihn geschickt, weil er wohl lieber Heinrich verlieren möchte, als noch einmal die Nachricht zu erhalten, dass sein auserkorener Erbe tot ist. Ich glaube, man hat ihn sogar aus einem Zisterzienserkloster geholt, damit er für seine Familie das Schwert
führt.« Anno beugte sich über den Hals seines Hengstes und musterte Clara misstrauisch. »Warum interessierst du dich für ihn?«
Clara lehnte sich ein Stück in den Wagen zurück, damit ihr Vater nicht sehen konnte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. »Er sieht so merkwürdig aus, mit seinem Bart und dem wirren Haar.«
Anno lachte auf. »Bei Gott, einer wie er wird nie auch nur in die Nähe des Kaiserhofes kommen. Er sieht aus wie ein Heide, der zum Julfest nackt um ein Feuer tanzt!«
»Herr, so könnt Ihr doch nicht in Gegenwart Eurer Tochter reden«, protestierte Maria und bekreuzigte sich. »Es bringt Unglück, von den Heiden, ihren Götzen und Festen zu sprechen.«
»Hab dich nicht so, Alte. Meine Tochter lässt sich doch nicht von einem bisschen Geschwätz über Heiden oder den Teufel ins Bockshorn jagen!«
Die alte Amme schlug erneut ein Kreuz. »Nennt seinen Namen nicht, Herr, so ruft Ihr noch den Gottseibeiuns herbei!«
»Ha, du glaubst doch wohl nicht, dass der Satan eine Seele hier aus der Mitte von fünfhundert Christenrittern unter der Führung unseres Erzbischofs stehlen würde! Und wenn, so würde der Herr von Dassel ihn bis an die Pforten der Hölle verfolgen, um dem Schwarzen das Fell zu klopfen.«
Maria starrte ihren Vater mit angstweiten Augen an. Clara bemerkte, wie ihr Vater sie aufmerksam musterte. Sie hatten seine Flüche nicht sonderlich beeindruckt. So war er immer. Da lag noch etwas anderes in seinem Blick. Trauer … Oder dachte er wieder daran, warum ihm kein Sohn
geboren worden war? Sie wäre auch lieber ein Junge! Dann würde sie Ritter werden, statt ins schnatternde Gefolge der Kaiserin gesteckt zu werden. »Herr von Sennberg? Auf ein Wort!« Ludwig, der Stutzer, drängte an die Seite ihres Vaters. »Man sagt, du bist gestern im Zelt des Fürsterzbischofs gewesen. Steht dein Angebot noch?«
Anno bedachte Ludwig mit einem flüchtigen Blick. Dann nickte er ihr bedauernd zu. »Hilf Maria beim Beten, damit eure frommen Worte meine Seele vor Meister Lucifer schützen.« Ohne sich noch einmal nach ihr oder der Amme umzusehen, ritt er davon.
Was für Geheimnisse Ludwig und ihr Vater wohl haben, dachte Clara. Intrigen zu spinnen war gar nicht seine Art. Oft hatte sie sich gefragt, wie er und ihre Mutter zusammengekommen waren. Ihr Leben würde einmal anders werden! Sie kannte alle Lieder der Sänger und Fahrenden. Ludwig mochte ein Stutzer sein, aber wenn er abends am Lagerfeuer zur Laute sang, hörte sie ihm gerne zu. Keine Woche war es her, dass er ihr die Geschichte von Tristan und Isolde erzählt hatte. So sollte die Liebe zwischen Rittern und Edeldamen sein! Nur das Ende der Geschichte hatte ihr nicht gefallen.
Der alten Amme waren die Augen zugefallen. Sie seufzte leise im Schlaf. Clara beobachtete sie eine Weile, um sicher zu sein, dass sie nicht so schnell erwachen würde, dann beugte sich wieder aus dem Fenster der Kutsche. Heinrich hatte nicht so breite Schultern wie andere Ritter. Aber er war freundlich. Wenn nur sein Bart nicht wäre! Mit rasiertem Gesicht würde er bestimmt besser aussehen!
Wieder dachte sie an die Geschichte von Tristan und Isolde. Es gab viele Wege, das Herz eines Ritters zu gewinnen.
Vielleicht sollte sie … Clara betrachtete ihre Amme. Das faltige, müde Gesicht. Die teigige Haut. Maria hatte es sicher nie leicht gehabt bei den Männern. Sie müsste wissen … »Maria?« Sie zupfte der Amme am Kleid. »Maria! Weißt du etwas über Liebestränke?«
Die Alte schreckte auf und blinzelte benommen. »Liebestränke«, wiederholte sie
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