Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
entschieden zu gesund aus.«
Rother starrte ihn mit offenem Mund an. »Was sagt Ihr?«
Sein Gegenüber lachte und nahm einen Schluck aus dem Weinkrug. »Wie du siehst, trage ich das Gewand eines Dieners Gottes. Ich diene nur einem Herrn, und bei allem Respekt vor deinen Heldentaten glaube ich nicht, dass er sich heute Abend in diesem Feldlager blicken lassen wird.« Der Mönch schlug ein Kreuzzeichen und verdrehte die Augen zum Himmel. »Verzeih mir, Herr, aber wenn ich von diesem wunderbaren, lombardischen Wein koste, fällt es mir mitunter schwer, meine Zunge im Zaum zu halten.«
Rother schlug unwillkürlich auch ein Kreuzzeichen. »Ich muss zum Erzbischof, bitte helft mir, Pater.«
»Der Herr von Dassel will niemanden mehr sehen, bevor seine Tafel aufgetragen wird.«
»Aber ich habe ihm zu beichten …«
Der hagere Mönch sah mitleidig zu ihm hinab. »Er würde dir niemals die Beichte abnehmen, ganz gleich, ob du ein Held oder nur ein Küchenjunge bist. Täte er es, verstieße er damit gegen die Gesetze der Kirche!«
»Aber meine Seele ist in Not!«
Der Mönch schnitt ihm mit einer abrupten Geste das Wort ab. »Weißt du denn gar nichts über deinen Lehnsherrn? Er ist nach dem Papst und dem Kaiser als Erzkanzler der drittmächtigste Mann auf Gottes Erde. Doch obwohl er das Amt des Erzbischofs von Cöln bekleidet, ist er eins nicht: ein geweihter Priester! Er darf dir die Beichte nicht abnehmen!« Der Mönch legte dem Knappen den Arm um die Schulter. »Komm, lass uns zum Fluss gehen. Wenn es denn sein muss, kannst du mir dort dein Herz ausschütten.«
Anno fand Ludwig allein an einem Feuer. Sein Kamerad hockte auf seinen Fersen und stocherte mit einem langen Stock in der Glut. Er sprach kein Wort, und Anno war sich nicht sicher, ob er ihn nicht bemerkt hatte oder einfach nicht mit ihm reden wollte. Die Flammen tauchten Ludwigs Gesicht in rotes Licht und tiefe Schatten.
Wenn er ihn so betrachtete, fragte Anno sich, warum sein Gefährte einen solchen Ruf bei den Weibern hatte. Ludwig war weder sonderlich stattlich gebaut noch von bedeutender Herkunft. Seine schlanken Finger schienen kaum dazu geschaffen, ein Schwert zu halten. Der Stutzer trug sein schwarzes Haar mehr als schulterlang. Jeden
Morgen verschwendete er fast eine halbe Stunde darauf, es mit einem feinen Elfenbeinkamm zu bearbeiten. Konnte man einen solchen Weiberhelden überhaupt für die Truppe gebrauchen, die der Erzbischof suchte?
Anno wollte schon aufstehen und gehen, als sein Gegenüber endlich das Schweigen brach. »Gefällt es dir, in meiner Gegenwart Zeit totzuschlagen, oder warum starrst du mich so an?«
»Warum bist du dem Jungen heute Morgen nachgeritten?«
»Vielleicht weil er zu anständig ist, um als dein Knappe zu sterben.«
Anno ballte die Fäuste und versagte sich eine passende Antwort auf diese Frechheit. »Würdest du es wieder tun?«, fragte er stattdessen mit betont ruhiger Stimme.
»Ist er mein Knappe? Muss ich ihm den Unterschied zwischen Heldenmut und Narretei beibringen?« Ludwig schob ein Scheit ins Feuer und blickte den Funken nach, die in den Himmel tanzten.
»Hast du an deine Stiefschwester gedacht?«, fragte Anno, scheinbar beiläufig und ohne Ludwig weiter anzusehen. »Du hast nie davon erzählt, warum sie ins Kloster gegangen ist. Hat dein Vater sie geschickt? Ich kann mich gut an sie erinnern. Hübsch war sie.«
»Was weißt du von dem Kloster?«
Anno lächelte. »Nur so viel, wie du mir einmal im Suff erzählt hast. Du hast keine Ahnung, in welchem Kloster sie ist, nicht wahr?«
Ludwig zerbrach den Stock, den er in Händen hielt, und warf die Stücke ins Feuer. »Ich glaube nicht, dass ich mit dir darüber reden möchte.«
»Und wenn es jemanden gäbe, der sie für dich finden könnte?«
»Wer sollte das sein?« Der Ritter zögerte. »Und was wäre sein Preis?«
»Seinen Namen wirst du zu gegebener Zeit erfahren. Und was deine zweite Frage angeht … Vielleicht wünscht er, dass du einen Ritt wie heute Morgen auch für ihn wagen würdest.«
Ludwig schüttelte nachdenklich den Kopf. »Warum sollte ihm gelingen, was mir nicht geglückt ist? Es gibt viele Klöster im Rheinland.«
»Glaube mir, er hat die Macht, es zu tun!« Anno blickte zu den benachbarten Feuern, um sicherzugehen, dass niemand sie belauschte. »Bist du mein Mann?«
»Ich stelle mein Schwert nicht in den Dienst eines Namenlosen.«
»Wie du willst!« Anno wandte sich zum Gehen. Er war sich sicher, dass Ludwig ihm nacheilen
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