Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
alle nur aufgehalten. Ohne sie wäre man um Stunden früher in Lodi gewesen! Und dann noch der Befehl, keine nennenswerten Spähtruppen vorauszuschicken! De Mandello hatte Angst gehabt, dass Späher, die zu weit vorausritten, von einer Patrouille der Staufer aufgegriffen würden und so das Überraschungsmoment beim Angriff verlorenginge. Diese übertriebene Vorsicht hatte das ganze Unternehmen scheitern lassen. Wie es aussah, war die Kaiserin eine halbe Stunde, bevor sie Lodi erreicht hatten, geflohen. Hätten
Späher die Pfalz beobachtet, hätte man sie gewiss noch einholen können!
»Lasst die Männer aufsitzen. Wir müssen zurück zur Stadt«, befahl der Konsul barsch.
Lupo sah de Mandello ungläubig an. »Ihr wollt nach Mailand zurück, Herr? Inzwischen sind gewiss alle Heerlager benachrichtigt worden. Jeder Kaiserliche, der eine Waffe führen kann, wird morgen früh auf der Suche nach uns sein. Ich halte es für klüger, über Crema nach Brescia zu reiten. Wenn wir in ein paar Tagen versuchen zurückzukehren, gelingt es uns vielleicht, noch einmal unbemerkt durch die Linien der Staufer zu schlüpfen. Und wir könnten Lebensmittel aus Brescia mitbringen.«
»Was du sagst, ist gewiss alles richtig, Falkner, doch inzwischen fehlen Mailand fünfhundert Krieger. Falls Friedrich jetzt mit aller Entschlossenheit angreift, gelingt ihm am Ende noch der Durchbruch. Wir müssen zurück!«
Heinrich hatte schon mehr als eine Stunde vor dem Zelt des Erzbischofs gestanden, als der Archipoeta endlich herauskam.
»Was haben sie entschieden?«
Der Mönch stieß ihn unwirsch zur Seite. »Lass mich in Ruhe! Ich will mich betrinken.«
Der Ritter packte den Archipoeta und zog ihn hinter eines der Zelte. »Wie bei allen Heiligen haben sie entschieden?«, wiederholte er.
»Lass die Heiligen in Frieden! Sie haben mit der Sache nichts zu tun!«
»Aber so rede doch endlich! Werden sie den Jungen austauschen? Ich hab mit einem der Knechte aus der Pfalz gesprochen.
Er hat mir geschworen, dass Rother lebte, als die Mailänder ihn mitgenommen haben. Er ist doch der Liebling des Kaisers.«
»Ich spucke auf den Kaiser und all seine Erzbischöfe! Was ist nur geschehen? Regiert denn Satan in aller Herzen?« Hinter den Zelten, dort, wo die Gefangenen untergebracht waren, erklang ein schriller Schrei.
Heinrich spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. »Was tun sie?«
»Friedrich hat es abgelehnt zu verhandeln. Er war wie von Sinnen. Und der Erzbischof hat ihn noch weiter aufgestachelt. Es war dumm von den Mailändern zu versuchen, die Kaiserin zu entführen. Die Fürsten stehen nun wieder geschlossen hinter Barbarossa.« Erneut gellte ein Schrei hinter den Zelten.
»Um Gottes willen, was geschieht dort, Mönch?«
Der Archipoeta blickte dem Ritter fest ins Gesicht. »Ich fürchte, sie haben den Jungen auf ihre Art zum Tode verurteilt. Friedrich ist sich in seinem Zorn vielleicht nicht darüber im Klaren gewesen, aber der Erzbischof war kalt wie Eis. Auf Befehl des Kaisers werden fünf gefangenen Mailänder Rittern die Augen ausgestochen. Einem sechsten wird nur ein Auge ausgestochen und die Nase abgeschnitten. Er soll die Verstümmelten zurückführen und den Konsuln von Mailand berichten, dass es niemals Frieden geben wird.«
»Und Rother?«
Der Mönch griff nach Heinrichs Fäusten. »Sie haben nicht einmal von ihm gesprochen! Ihr Hass ist größer als die Liebe zu einem Einzelnen. Als alle gegangen waren, hat der Erzbischof wieder angefangen, von den Drei Königen
zu sprechen. Er ist wie besessen und redet von nichts anderem mehr!«
»Sie haben Rother also einfach im Stich gelassen?«
Der Mönch lachte höhnisch. »Wir können für ihn beten. Vielleicht erhört uns ja jemand.«
Heinrich packte den Mönch bei den Schultern. »Wir müssen ihn aus der Stadt holen!«, sagte er dann.
Auf einen Wink des Konsuls Anselmus de Mandello wurden die gefangenen Ritter aus dem Ratssaal geführt. Lupo hatte den Erzbischof Obert zur Ratsversammlung begleitet. Es war das erste Mal, dass er die prächtige Magistratshalle betrat. Nur wenig Licht fiel an diesem Dezembernachmittag durch die bunten Glasfenster. Man hatte etliche Kerzen und bronzene Becken mit glühenden Kohlen aufgestellt, um die Dunkelheit zu vertreiben. Dennoch wirkte der Raum düster und kühl. Fünfzig prächtige Lehnstühle aus altersdunklem Holz waren in einem weiten Oval aufgestellt. Hier saßen die Magistratsherren der Stadt. In prächtige Pelze und feine
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