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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Portal empor.
    Heinrich schaute Ludwig an. »Bleibst du bei den Pferden?«
    Sein Kamerad nickte. Misstrauisch sah er zu den Eingängen der beiden Gassen, die auf den Kirchplatz führten. Bisher hatte sie niemand behelligt. Die Verbündeten beachteten sie nicht, und die Mailänder versuchten, ihnen aus dem Weg zu gehen.
    Auf den Stufen zur Kirche lag ein Mädchen. Ihre Kleider waren zerrissen und voller Blut. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in den rauchverhangenen Himmel. Heinrich kniete neben ihr nieder. Sie war tot. Der Ritter schloss ihre Lider und murmelte ein kurzes Gebet für ihr Seelenheil. Sie war höchstens zwölf Jahre. Auf den Stufen einer Kirche geschändet und ermordet! Was für ein Fluch lag auf dieser Welt! Voll Wut und Verzweiflung blickte er zum Portal auf. Steinerne Heilige säumten den Eingang. Mit steinernem Blick und steinernen Herzen hatten sie zugesehen. Heinrich dachte daran, dass ein Erzbischof sie bei ihrer ruchlosen Tat anführte. Ein Erzbischof, der Kirchen plünderte! Wo war Gott? Hatte er die Welt schon längst verlassen?
    Das weite Kirchenschiff war voller Rauch, doch augenscheinlich hatten es bislang noch keine Plünderer gewagt, das Gotteshaus zu betreten. Heinrich folgte dem Weg, den Rother beschrieben hatte, und stieg die schmale Treppe zur Krypta hinab. Dort fand er Anno und den Erzbischof. Sie knieten vor einem geöffneten Sarg und beteten. Weihrauchschwaden hingen so dicht in dem niedrigen Gewölbe, dass Heinrich sich nach wenigen Atemzügen ganz benommen fühlte. Er bekreuzigte sich. Endlich waren sie am
Ziel! Sie hatten die Drei Heiligen Könige gefunden. Die Zeugen von Christi Geburt. Ein frommer Schauder überlief ihn. Er trat hinter Anno und Rainald, um einen Blick in den ersten Sarg zu werfen, den seine Gefährten aufgebrochen hatten. Der Leichnam darin war ungewöhnlich klein, seine Haut von dunklem Braun und straff wie Pergament. Die vertrockneten Lippen waren zurückgezogen, so dass der Tote zu lächeln schien. Die Augen waren nur mehr zwei kleine schwarze Höhlen. Unter einem zerbröckelten Kopfputz lugte eine Strähne rötlich schwarzen Haars hervor.
    Die Arme des Toten waren über der Brust gekreuzt. Der Körper, in rissigen, rotbraunen Stoff gehüllt, wirkte hager und eingefallen. Heinrich hatte sich die Leichen der Heiligen anders vorgestellt. Es hieß doch, ihre Körper würden niemals verfallen, und selbst Jahrhunderte nach dem Tod würden sie noch wie Schlafende aussehen.
    Rainald richtete sich auf. »Wir müssen uns beeilen. In dieser Stadt sind sie nicht mehr sicher. Gott allein weiß, ob die Plünderer nicht auch in die Kirchen stürmen werden.«
    »Was tun wir, wenn die gottlosen Mordbrenner draußen auf den Straßen versuchen, uns die Heiligen zu rauben?«, fragte Heinrich. »Wir sind nur zu viert.« Sie hätten mit ein Hundertschaft Reiter kommen sollen. Das hier war der blanke Leichtsinn!
    »Vertrau auf Gott. Er wird uns schützen! Und nun nimm mit Anno einen der verschlossenen Särge. Ich werde hier unten bleiben und über die anderen zwei wachen. Den geöffneten Sarg bringen wir zuletzt hinauf.«
    Schweigend machten sich die Ritter an die Arbeit. Die Särge waren sehr leicht, fast als seien sie leer.
    Als sie den zweiten hinauftrugen, strauchelte Heinrich
bei einer ausgetretenen Stufe. Der Sarg geriet ins Rutschen und stieß Anno vor die Brust. Der Sennberger fluchte, verstummte aber sofort und begann leise um Vergebung zu beten. Die Heiligen Drei Könige mochten ihm verzeihen. Hoffentlich war die kostbare Reliquie nicht zu Schaden gekommen.
    »Können wir weiter?«, brummte Anno ungehalten.
    Heinrich nickte nur erschrocken.
    Als sie das Portal der Kirche fast erreicht hatten, trat ihnen ein Priester in den Weg, ein kleiner, gebückter Mann mit ausgezehrtem Gesicht und kahlem Schädel. Seine kräftige Stimme jedoch stand in bemerkenswertem Gegensatz zu seiner zerbrechlichen Erscheinung. »Was tut Ihr hier?«
    »Wir retten die Schätze der Kirche vor Plünderern«, entgegnete Anno hastig.
    »Wer sollte es wagen, das Haus Gottes zu bestehlen?« Der alte Priester trat ein paar Schritt näher. Er zog das rechte Bein nach.
    »Aber, Herr«, mischte sich nun Heinrich ein, »die Schätze sind hier nicht sicher! Habt Ihr denn keine Augen? Sogar vor dem Portal Eurer Kirche wurde schon gemordet.«
    »Und warum sollte ich dulden, dass ausgerechnet ihr Novaresen meinen Kirchenschatz rettet? Ich weiß sehr wohl, was von euch Söldnerseelen zu halten ist. Ihr

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