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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hättet doch nicht einmal Skrupel, eure eigene Mutter zum Hurendienst zu zwingen! Also kehrt zurück, sonst …«
    »Was geschieht sonst?«, erklang die schneidende Stimme des Erzbischofs vom Eingang zur Wendeltreppe. »Glaubt Ihr, den Zorn Gottes auf uns herabrufen zu können? Was denkt Ihr, warum Eure Stadt gefallen ist? Weil Gott auf Eurer Seite steht?«

    »Ihr redet Eure Seele ins Fegefeuer, Verdammter!«
    Der Fürsterzbischof trat in das weite Kirchenschiff. »Bringt den Sarg hinaus!«, befahl er, und seine Stimme hallte von den hohen Wänden wieder.
    »Ich verbiete Euch …« Der Priester wandte sich wütend von Dassel zu. Er hob die Arme, als wolle er im Zweifelsfall mit seinen Fäusten auf die Plünderer eindreschen. Mitten in der Bewegung verharrte er. »Ich kenne Euch! Ihr seid der Erzbischof von Cöln!«
    Von Dassel lächelte auf eine Art, die Heinrich das Schlimmste befürchten ließ. »Der Herrgott hat Euch mit ausgezeichnetem Augenlicht gesegnet, Bruder in Christo. Nun lasst mich Euch die Maskerade erklären. Der Kaiser schickt mich. Er ist in großer Sorge, weil die Banden der Plünderer gänzlich außer Kontrolle geraten sind. Er hat mir und einigen anderen Bischöfen aus seinem Gefolge befohlen, die Kirchenschätze Mailands zu retten. Natürlich könnt Ihr mit uns kommen und höchstpersönlich darüber wachen, dass keine dieser Kostbarkeiten in falsche Hände gerät.«
    Der Priester zog misstrauisch die Brauen zusammen. »Und wohin werden sie gebracht?«
    »Nach Lodi. Wie Ihr wisst, weilen dort einige Eurer Konsuln. Sie selbst dürfen bestimmen, wie mit den Kirchenschätzen verfahren wird.«
    Der Alte wirkte erleichtert. »Ihr seid ein besserer Mensch, als man mir berichtet hat.«
    »Die Welt ist voller Verleumdung. Kommt, Bruder, ich stütze Euch. Wie ich sehe, tragen Euch Eure Beine nicht mehr so recht.« Der Erzbischof nahm den Alten zur Seite und schob ihm den Arm unter die Achseln.

    Der Priester lächelte. »Wer hätte je gedacht, dass mir eines Tages ein leibhaftiger Erzbischof als Krückstock dienen würde.«
    »Gottes Wege sind unergründlich, Bruder. Sagt, sind noch andere Geistliche in diesem Hause? Wenn sie uns zur Hand gehen, werden die Schätze schneller geborgen sein.«
    Der Alte schüttelte mürrisch den Kopf. »Alle sind sie fortgelaufen! Die Feiglinge!«
    Heinrich atmete erleichtert auf. Der Erzbischof besaß wahrhaft die Macht des Wortes. Wie er den Priester dazu gebracht hatte, sie freiwillig in die Gefangenschaft zu begleiten … Gewiss war es das Beste für den Alten. In seiner Kirche wäre er in höchster Gefahr.
    Sie hatten fast das hohe Tor erreicht, als Heinrich aus den Augenwinkeln sah, wie der Erzbischof einen Dolch aus seinem Gürtel zog. Der alte Priester murmelte leise vor sich hin. Er bemerkte nicht, was geschah. Ohne zu zögern zog Rainald dem Mann die Klinge über die Kehle. Abrupt trat der Erzbischof zurück und ließ den Alten zu Boden sinken.
    Ungläubig blickte der Sterbende zum Erzbischof auf. Er presste sich die Hand auf die klaffende Wunde. Er wollte etwas sagen, doch das Blut in seiner Kehle erstickte die Worte.
    »Verzeih mir, Bruder!«, flüsterte von Dassel. »Warum auch musste Gott einen Mann in deinem Alter mit so guten Augen segnen.«
    Heinrich wurde übel. Er glaubte, sich übergeben zu müssen und setzte behutsam den Sarg ab. Anno starrte ihn wortlos an.
    »Was ist los, Heinrich von Friesheim?« Der Erzbischof kniete sich neben den sterbenden Priester. »Danke Gott,
dass du nicht meine Entscheidungen zu treffen hast. Glaubst du, mir fällt es leicht, einen alten Mann vor einem geweihten Altar im Angesicht Gottes zu ermorden? Warum treiben wir wohl diese Maskerade? Weil niemand wissen darf, was mit den Drei Königen geschehen ist, bis sie sicher in Cöln angekommen sind.«
    Heinrich glaubte zu ersticken. Wer war dieser Erzbischof? Ein Bote des Teufels? Wie hatte er sich darauf einlassen können, einen Pakt mit ihm zu schließen? Langsam wich der Ritter zum Portal zurück. Was war mit der Welt geschehen? Hatte jemand sie vollkommen aus den Angeln gehoben?
    Als er rückwärts die Stufen zur Kirche hinabging, strauchelte er über den Leichnam des Mädchens und stürzte. Der Erzbischof war ihm gefolgt. Eingerahmt von steinernen Heiligen stand er im Kirchenportal. Der Himmel über ihm war schwarz von Rauch.
    »Bist du für den Kaiser oder ein Verräter?« Von Dassel standen Tränen in den Augen. Trauerte er wirklich um den alten Priester, oder war auch

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