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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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förmlichen Gerichtsverfahren durch«, sagte Mary.
    »Ihre Politik ist die einer Widerstandsbewegung im Untergrund«, entgegnete Yardley. »Ich habe nicht die Absicht, über sie oder über irgendeinen Aspekt Ihrer Gesellschaft ein Urteil abzugeben. Hispaniola hat nur die Macht zu reagieren, um am Leben zu bleiben, und bis jetzt ist die Insel unter meiner Herrschaft sehr gut gefahren.«
    »Wo ist Goldsmith?« fragte Mary.
    »Ganz in der Nähe, neunzig Kilometer von hier, im Tausend-Blumen-Gefängnis.«
    »Und Sie haben sich nicht mit ihm getroffen? Mit Ihrem Freund?«
    Yardleys Gesicht wurde hart. »Ich habe meine Gründe. Der Hauptgrund: keine Zeit. Der zweite Grund: Ich habe sein Geständnis gehört. Er wollte nach Hispaniola fliehen, um dort Zuflucht zu suchen. Er dachte, er könnte meine Freundschaft ausnutzen, nachdem er ein schreckliches und sinnloses Verbrechen begangen hatte. Nicht einmal mein allerbester Freund – und das ist Emanuel nicht, auch wenn er ein guter Freund ist – kann davon ausgehen, daß ich die Gesetze Hispaniolas verletzen werde. Wir haben keine formellen Auslieferungsabkommen. Wir nehmen jedoch auf formellen Antrag hin – und auch sonst – Verbrecher aus anderen Ländern auf, um sie hier ins Gefängnis zu stecken.«
    Davon hatte Mary gehört; sie hatte es bis jetzt nur nicht für relevant gehalten. »Und die sitzen alle im Tausend-Blumen-Gefängnis?«
    »Nicht nur da. Wir haben fünf solche internationalen Gefängnisse. Manche Regierungen zahlen sehr gut für diese Dienstleistung. Aber Goldsmith… Für ihn werden wir den Vereinigten Staaten nichts in Rechnung stellen. Er bleibt hier.«
    »Warum? Die Gesetze meines Landes…«
    »Ihr Land würde ihn behandeln und als neuen Menschen freilassen. Eine solche Milde hat er nicht verdient. Der Kummer der Angehörigen seiner Opfer bleibt bestehen. Warum sollte er nicht ebenfalls leiden? Vergeltung ist der Kern aller Rechtssysteme. Wir sind hier nur ehrlicher.«
    »Er war Ihr Freund«, sagte Mary wie vom Donner gerührt. »Er hat Sie verehrt.«
    »Umso schlimmer. Er hat alle seine Freunde verraten, nicht bloß diejenigen, die er getötet hat.«
    »Aber kein Mensch weiß, warum er sie getötet hat.« Mary sah sich in die unangenehme Position des Advocatus diaboli gedrängt. »Wenn er wirklich nicht ganz richtig im Kopf und folglich nicht verantwortlich ist…«
    »Das geht mich nichts an. Wir richten hier keine Häftlinge hin. Wir führen unsere eigene Form der Therapie durch. Und Sie wissen sehr gut, daß diejenigen, die unter die Höllenkrone kommen, niemals rückfällig werden.«
    »Ist er unter einer Klammer?«
    »Wenn nicht in diesem Moment, dann bestimmt heute abend. Er ist bereits verurteilt worden.«
    Mary lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie war so schockiert, daß sie einen Augenblick lang keine Worte fand. »Mit so etwas hätte ich nie gerechnet«, sagte sie leise.
    »Wir tun Ihre Arbeit für Sie, meine Liebe«, sagte Yardley und streckte die Hand aus, um ihr mit einem Finger auf die Knöchel zu tippen. »Man wird Sie nach Tausend Blumen bringen und Ihnen den Häftling zeigen. Dann denke ich, daß wir in den nächsten drei oder vier Tagen alles mit Ihrer Regierung regeln werden und Sie nach Los Angeles zurückkehren können. Sie können Ihre Akten schließen. Emanuel Goldsmith wird Tausend Blumen nie mehr verlassen. Von dort ist noch keiner entkommen. Das garantieren wir all unseren Teilnehmernationen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Es kam ihr so vor, als ob sich der Raum mit seinen Zehntausenden von Büchern immer enger um sie schlösse. »Ich verlange, daß Goldsmith in meinen Gewahrsam überstellt wird«, sagte sie. »Im Namen des internationalen Rechts und weil es sich einfach so gehört.«
    »Gut, gut«, sagte Yardley. »Aber Goldsmith ist freiwillig hergekommen, und er hat unsere Gesetze und Reformen offen bewundert und unterstützt. Es ist nur recht und billig, daß er nach seinen Überzeugungen leben soll. Wenn Sie nicht etwas besonders Schlaues und Bemerkenswertes hinzuzufügen haben, ist unsere Zusammenkunft hiermit beendet, denke ich.«
    Die Doppeltür ging auf, und Soulavier kam herein. »Bringen Sie Mademoiselle Choy nach Tausend Blumen und zeigen Sie ihr Emanuel Goldsmith. Danach kann Sie, sobald ich es sage, ausführlich mit der Botschaft ihres Landes in Kontakt treten. Danke für Ihre Geduld, Mademoiselle.«
    Yardley stand auf und machte eine Handbewegung zur Tür. Sechs Uniformierte kamen herein und gingen um

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