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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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schlickigen Sand liegen gelassen.
    Als Letzte kamen Calico Jack Rackham, George Fetherston und Richard Corner an die Reihe. Rackham betrat das Podest. Er wandte sich an die Menge.
    »Ich bereue nichts, außer dass mir meine letzte Bitte nicht gewährt worden ist. Man hat mir den Rum verweigert, um den ich gebeten habe. Ich wäre zu gerne besoffen gestorben!« Ein Raunen ging durch die Menge. Was für eine Unverschämtheit. Ein Zuschauer stupste seinen Nachbarn an und flüsterte: »Egal, was sie für Sünden auf sich geladen haben, egal, welche Übeltaten auf ihr Konto gehen, ich wäre gerne auf einer Kapertour mitgefahren, wenn man dafür nicht an den Galgen käme.«
    George Fetherston stand unter dem Galgen und betete. Lautlos bewegten
sich seine Lippen, als er seine Mutter und Gott um Vergebung bat. Aufrecht und mit geöffneten Augen sah er dem Tod entgegen. Links von ihm stand Richard Corner. Er warf Nicholas Lawes einen verächtlichen Blich zu und höhnte: »Nun machen Sie schon, und lassen Sie mir die hässliche Krawatte im Namen ihres lächerlichen Königs umbinden. Mir tut es um kein Achterstück leid, um das ich ihn gebracht habe. Er hätte sich doch nur den Wanst noch fetter damit gefressen.« Ein paar Zuschauer lachten, und der Gouverneur beeilte sich, das Zeichen zu geben, um zu vermeiden, dass Corner sich noch länger über George I. lustig machte.
    Die Leichname der drei Hauptverantwortlichen wurden mit Teer beschmiert und in eiserne Käfige gesteckt. Helfer des Henkers schafften sie nach Plumb Point, Bush Key und Gun Key. Dort waren bereits Gerüste aufgestellt worden, an denen die Toten in eisernen Käfigen hängen blieben, bis die Vögel ihnen die Augen aus dem Gesicht gepickt hatten und ihre Körper verwest waren. Im Namen des englischen Königs war dies die Methode, die der Gouverneur für die wirkungsvollste hielt, um mögliche Nachahmer abzuschrecken. Das grausige Schauspiel der verwesenden Kadaver, die auf makabere Weise mit dem Wind tanzten, war der Beweis, dass es unter seinem Regime keinen Platz für Piraten gab.
    Nicholas Lawes dankte dem Kaplan für seine ergreifenden Gebete, lobte die Arbeit des Henkers und verließ das Podest. Die Zuschauer begannen sich zu zerstreuen. Zufrieden mit dem Schauspiel, das er ihnen geboten hatte, applaudierten sie Lawes, als er zu seiner Kutsche zurückkehrte. Der Gouverneur grüßte huldvoll nach rechts und links und bestieg den Wagen.
    Durch sein ungebührliches Verhalten hatte James Dobbins die Prozedur unnötig verlängert. Sein knurrender Magen signalisierte Lawes, dass es höchste Zeit für ein ausgiebiges Mittagessen war. Er würde es gemeinsam mit seiner Schwester einnehmen, deren Besuche ihm normalerweise höchst willkommen waren. Diesmal allerdings strapazierte sie seine Nerven.
    Lucinda Lawes ließ keine Gelegenheit aus, ihren Bruder mit der immer gleichen Geschichte zu lang weilen, und erzählte mehrmals täglich, wie Anne sie seinerzeit auf dem Ball erniedrigt hatte. Ihr Schlusssatz
lautete jedes Mal: »Nicholas, ich bitte dich im Namen unserer Eltern, Gott hab sie selig, lass diese Schmach nicht ungestraft. Ich halte äußerste Härte für geboten.« Erst beim Frühstück hatte sie ihn wieder behelligt. Der frühe Morgen war nicht die Zeit, in der Nicholas Lawes empfänglich war für derartige Gespräche.
    »Lucinda, die Frau wird ihr Verfahren bekommen, wenn es so weit ist, aber bei allem Respekt, ich kann sie auch im Namen unserer Eltern, Gott hab sie selig, nicht hängen, weil sie dir Champagner in den Ausschnitt geschüttet hat.«
    Seine Schwester hielt empört ein Spitzentuch vor den Mund und verließ den Frühstückstisch. Lawes nahm sich vor, die Angelegenheit beim Mittagessen aus der Welt zu schaffen.
    Vorher galt es allerdings noch, einen kleinen Umweg auf sich zu nehmen und einen Abstecher im Gefängnis zu machen. Lawes wollte den beiden Frauen, die ihn vor ein paar Tagen vor Gericht beinahe der Lächerlichkeit preisgegeben hatten, persönlich mitteilen, dass ihre liederlichen Kameraden den Tod gefunden hatten. Die Nachricht konnte nicht ohne Wirkung auf ihre Gemüter bleiben, und Lawes freute sich auf die entsetzten Gesichter, die sie machen würden.
     
    Nach dem Prozess waren Anne und Mary von den Männern getrennt und in ein kleineres Verlies gebracht worden. Hier gab es nicht einmal einen Lichtschacht, es stank ebenso erbärmlich wie vorher. Die blakende Lampe des Wärters spendete immerhin so viel Licht, dass Anne sehen konnte,

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