Koenigin der Meere - Roman
mit dem Zeigefinger über seine Wange.
»Ich weine nicht, Prinzessin. Mir bläst nur der Wind in die Augen«, log William Cormac und setzte seine Tochter ab.
»Komm, wir wollen schauen, was Mummy tut. Sicher hat sie schon alles ausgepackt und hergerichtet.«
Ein Blick in die Kabine belehrte ihn eines Besseren. Margaret Mary Brennan lag unter den neuen Wolldecken auf ihrem Bett, presste die Hände an ihre Schläfen und stöhnte.
»Oh, Will, gut, dass du kommst. Mir ist so elend.«
Die Seekrankheit hielt ihr Opfer fest im Griff. Während der ganzen Reise war Margaret Mary kaum in der Lage, die Kabine zu verlassen. William Cormac versorgte sie mit Brühe und leichten Speisen, die sie meist nicht einmal anrührte.
Unter den irischen Fronarbeiterinnen befand sich eine junge Frau namens Kathleen Briggs, sie kümmerte sich um die Wäsche der wohlhabenden Passagiere. Eines Tages beobachtete Cormac, wie sie ein Kleidchen von Anne zur Seite legte. Er winkte sie zu sich.
»Was hast du mit dem Kleid meiner Tochter vor? Wag nur nicht, es zu stehlen! Nur weil meine Frau krank ist, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht merke, wenn etwas fehlt!« Kathleen Briggs errötete und machte einen tiefen Knicks.
»Sir, um des gütigen Himmels willen, was denken Sie von mir. Ich habe beim Waschen einen Riss am Ärmel entdeckt und wollte ihn nähen.« Die Frau sah ihn so aufrichtig an, dass Cormac seinen Verdacht bereute.
»Willst du dir ein paar Münzen verdienen, wenn du mit deiner Arbeit fertig bist? Meine Frau leidet unter heftiger Seekrankheit. Sie könnte Hilfe gebrauchen.« Kathleen Briggs knickste noch tiefer als zuvor und nahm das Angebot an. Einmal in der Woche reinigte sie die Kabine und half der geschwächten Margaret Mary, die Haare zu waschen.
»Ich danke dir. Wenigstens juckt jetzt der Kopf nicht mehr. So elend wie in den letzten Wochen habe ich mich noch nie gefühlt. Kathleen, glaub mir, Feuchtigkeit ist die Wurzel aller Krankheiten - und wie soll es einem da auf dem Meer wohl gehen. Nichts als Wasser. Entsetzlich!« Kathleen tröstete sie.
»Madam, nur Geduld, nicht mehr lange, und wir sind wieder an Land, dann geht es Ihnen gleich besser. Und, Madam, ich wollte Sie etwas fragen, wenn wir an Land sind, Madam, haben Sie dann vielleicht Verwendung für mich? Ich kann kochen, putzen, Vieh versorgen, mich um Ihre Tochter kümmern. Wir waren viele zu Hause. Ich habe gelernt, hart zu arbeiten.« Margaret Mary schloss die Augen, um Kathleens flehendem Blick auszuweichen.
»Wir fangen ein neues Leben an, Kathleen. Wir wissen selbst noch nicht, wo es uns hinverschlägt. Ich fürchte, ich kann nichts für dich tun.« Kathleen Briggs knickste und verließ traurig die Kabine.
Anders als ihre Mutter genoss Anne die Überfahrt. Sie frühstückte jeden Morgen mit ihrem Vater und den anderen begüterten Passagieren in der Kajüte des Kapitäns und freundete sich mit einem gleichaltrigen Jungen an. Unter den wachsamen Augen der Gouvernante des Knaben spielten die Kinder in einer Ecke des Hecks, sahen den Matrosen bei ihrer Arbeit zu und lernten einfache Seemannsknoten zu fertigen.
Das Leben auf dem Schiff war aufregend und voller Überraschungen. Täglich gab es Neues zu entdecken. Kisten, Taue, die Takelage, der Segelmacher, der seine Arbeit in der Sonne verrichtete. Der Smutje in der Kombüse, der den Kindern von Zeit zu Zeit einen Leckerbissen zusteckte. Anne war glücklich auf der Abraham, sie lief zu ihrem Vater und umarmte ihn stürmisch.
»Daddy, wenn ich groß bin, kann ich dann auch Matrose werden? Oder lieber noch Kapitän. Kaufst du mir ein Schiff?«
»Wir werden sehen, Prinzessin.«
William Cormac wollte die Freude seiner Tochter nicht trüben durch einen Vortrag über das, was sich für junge wohlerzogene Damen aus gutem Hause schickt. Er lächelte, streichelte Anne über das rotlockige Haar und widmete sich wieder seiner Lektüre. Cormac verbrachte die meiste Zeit lesend und Pfeife rauchend auf dem Achterdeck. Immer wieder schweiften seine Gedanken zurück zu den Ereignissen, die seinem Leben eine unvorhersehbare Wendung gegeben hatten.
Alles hatte vor fünf Jahren begonnen. Seine Frau Gwendolyn war für einige Wochen verreist, und Margaret Mary Brennan bescherte ihm eine köstliche Nacht. Am frühen Nachmittag verließ William Cormac den vornehmsten Pub von Kinsale und trat den Heimweg an. Er zupfte die Kniebundhose zurecht, straffte die Schultern und erwiderte die ehrerbietigen Grüße einiger
Weitere Kostenlose Bücher