Königin der Piraten
ihre Eltern verboten hatten. Verzaubert von seinem Charme und gelockt von seinen Heiratsversprechen, war Maeve mit ihm aus ihrer Heimat Neuengland in die Karibische See geflohen. Naiv, vertrauensselig und erst sechzehn Jahre alt, hatte sie sich diesem Mann hingegeben, der behauptete, sie zu lieben. Als sie am nächsten Morgen erwachte, war er verschwunden.
Zum Glück war es ihm nicht gelungen, ihre Besatzung auf seine Seite zu locken und den Schoner ebenso zu erobern wie ihr Herz. Maeves Maat Orla und die kleine Besatzung, die sie für die Reise gen Süden aufgebracht hatten, mochten Renaud nicht. Die Kestrel war in ihrem Besitz geblieben.
So war Maeve nichts mehr geblieben als der Schoner, ihr gesunder Menschenverstand und ein zu großer Stolz, um zu ihren Eltern zurückzukehren, die sich im Übrigen nie die Mühe gemacht hatten, sie zu suchen. Dennoch hatte sie nicht nur überlebt, sondern sogar einigen Erfolg gehabt. Aber es war kein Wunder, dass Männer für sie eine Bedrohung all dessen darstellten, wofür sie gearbeitet, Pläne geschmiedet, gekämpft hatte. Für einen Mann hatte sie ein behütetes, liebevolles Zuhause aufgegeben - das würde ihr nie wieder passieren.
Ihre Besatzung war freilich weniger verbittert und hegte immer noch große Hoffnungen, dass ihre Anführerin eines Tages ihrem Märchenprinzen begegnen würde. Nun trieben die Piratinnen Maeve so in die Enge, dass sie sich vorkam wie ein Tier in der Falle. »Warum wollt ihr überhaupt, dass ich heirate?«, fauchte sie und schleuderte eine Hand voll Schwarzpulver in den Kessel. Da sie nicht gut gezielt hatte, rieselte ein Teil am Rand herunter. Ihre Besatzung wich angesichts der züngelnden Flammen unter dem Topf zurück. »Damit wäre unser gemeinsames Leben doch zu Ende. Ich habe hart darum gekämpft, Respekt un d Unabhängigkeit zu erlangen und mir auf diesen gesetzlosen Gewässern einen Namen zu machen. Und ich habe keineswegs vor, das alles aufzugeben oder mit irgendeinem Halunken zu teilen, der sich hinterhältig und dreist einschleicht und doch nur an dem interessiert ist, was ich habe, nicht daran, was ich bin. Heiraten? Pah! Hier auf unserer Insel haben wir alles, was wir brauchen oder wollen. Nichts davon möchte ich gegen ein jämmerliches Dasein voller Aufopferung und Qualen eintauschen! Ich habe es nicht nötig zu heiraten!«
»Ihr sollt heiraten, weil wir wollen, dass Ihr glücklich seid«, erwiderte Sorcha unschuldig und wie aus der Pistole geschossen.
»Genau«, flötete ihre Schwester, »wir wollen, dass Ihr einen Märchenprinzen bekommt.«
Maeve errötete vor Wut und herrschte ihre junge Peinigerin an: »Es gibt keine Märchenprinzen, Aisling, und wenn du noch ein paar Jahre mehr unterm Kiel hast, wirst du begreifen, wie Recht ich habe. Alle Männer sind unverschämte Schurken, jeder Einzelne von ihnen. Sie wollen alle das Eine, und nur das Eine, damit es sie nicht mehr zwischen den Beinen juckt. Liebe? Pah!« Sie wischte den bloßen Gedanken mit einer Handbewegung beiseite. »Liebe ist nichts als ein grausamer Streich, den die Natur zwei Menschen spielt, damit sie einander bespringen wie die Tiere und so diese erbärmliche Rasse vor dem Aussterben bewahren! Ich glaube nicht an Märchenprinzen, ich glaube nicht an Zaubersprüche und erst recht nicht daran, Zeit mit sinnlosem Quatsch zu vergeuden, während wir genauso gut etwas stehlen könnten!«
Wieder wollte sie davonstürmen, doch erneut hielten die anderen sie zurück.
»Kommt, Majestät, es ist doch nur ein Spiel. Ihr müsst mitmachen!«
»Es ist Humbug, von vorne bis hinten!«
»Nein, genau so steht es hier, in diesem Buch!«, rief Sorcha und schlug mit der flachen Hand auf die moderige, vergilbte Seite. »Aber es heißt auch, wenn der Zauber funktionieren soll, müsst Ihr uns erst sagen, was für einen Mann Ihr Euch wünscht ...«
»Ich wünsche mir überhaupt keinen, verstanden?«, log Maeve. »Keinen!«
Trotzdem verschränkten die beiden Schwestern erwartungsvoll die Arme. Ihre Augen leuchteten fest entschlossen, und ihr Haar schimmerte im Schein der Altarkerzen. Hinter ihnen drängten sich die anderen näher heran. Die beiden Irinnen, die Jüngsten von allen, noch unverdorben von der rauen Wirklichkeit, hatte die Piratenkönigin am meisten ins Herz geschlossen.
»Bitte, Majestät!«, bettelten sie im Chor.
Es gab offenbar kein Entkommen. Maeve warf ihrer Besatzung Hilfe suchende Blicke zu, aber von dieser Seite erhielt sie keinen Beistand und hatte auch,
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