Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
heute Morgen nur einen Vorgeschmack auf bevorstehende Freuden geliefert hat.«
Allmählich glaubte sie, seine merkwürdigen Ausdrücke zu verstehen, und nickte. »Heute Nacht geht es auf Leben und Tod.«
Mit wehendem Mantel, die Hand auf den Griff ihres Schwertes gelegt, fuhr sie herum. Obwohl Harper keinen Laut gehört hatte, sah er einen Schatten im Lichtkegel seiner Taschenlampe auftauchen. Er hatte schon fast seine Pistole gezogen, als er die Uniform erkannte.
»Bahnpolizei«, sagte er mit gedämpfter Stimme zu Kadra. »Überlass das mir … Hallo, Officer. Hier Riley und Tripp von der New York Post. Wir haben eine Sondergenehmigung für eine Reportage …«
Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als die Gestalt einen schwerfälligen Schritt in seine Richtung tat und er die dolchartigen Zähne im Licht funkeln sah.
Die monströsen Zahnreihen öffneten sich, Hände mit bläulichen Krallen erhoben sich. Doch die Augen – die Augen wirkten immer noch jämmerlich menschlich.
»Helfen Sie mir. Bitte, so helfen Sie mir doch.« Und mit einem Laut, der halb Schluchzer, halb Heulen war, sprang er.
Kadras Dolch flog durch die Luft und bohrte sich mit einem hässlichen Geräusch in seine Kehle. Das aus der Wunde sickernde Blut war rötlich grün.
»Die Veränderung war noch nicht vollständig«, stellte Kadra fest.
»Er war immer noch ein Mensch.« Wutentbrannt sank Harper auf die Knie und tastete nach dem Puls. »Verdammt noch mal, das war doch ein Mensch, ein Polizist. Du hast ihn getötet, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Er war weder Mensch noch Dämon, sondern in einem Zwischenstadium gefangen. Ich habe ihm das Leben genommen, um das deine zu retten.«
»Gibt es denn sonst nichts?« Harper fuhr herum und sah sie durchbohrend an. »Nur Leben oder Tod? Er hat um Hilfe gefleht.«
»Eine andere Hilfe gab es nicht. Glaubst du, das bereitet mir Freude? Mit seinem Tod stirbt einer meiner Leute. So ist das Gleichgewicht.« Sie ging in die Hocke und zog ihren Dolch aus der Wunde. »Das ist der Preis.«
»Wir hätten ihn ins Krankenhaus bringen, eine Bluttransfusion durchführen lassen können. Was weiß ich.«
»Das sind Wunschträume!« Sie ließ den Dolch in der Scheide verschwinden. »In dem Augenblick, in dem er Soraks Kuss empfing, war es um ihn geschehen.« Sie deutete auf den Körper, der bereits zu qualmen begann. »Er war mit Dämonenblut verseucht. Weder in meiner noch in deiner Welt gibt es ein Heilmittel dagegen. Wenn Sorak einen Menschen verwandelt hat, gibt es mit Sicherheit noch mehr.«
Sie warf einen Blick in die dunkel gähnende Tunnelöffnung. Der Vorwurf in seinem Blick war ihr unerträglich. Lieber ging sie ihrem ungewissen Schicksal entgegen, selbst wenn es der Tod war, der sie dort erwartete. »Wenn du nicht tun kannst, was zu tun ist, kehre um. Ich gehe alleine weiter.«
»Er hat um Hilfe gerufen. Er hatte Angst, das habe ich in seinen Augen gesehen.« Jetzt allerdings lag nur noch ein verkohltes Skelett vor Harper. »Er hatte keine Chance.« Angewidert erhob er sich. »Wir bringen die Sache gemeinsam zu Ende.«
»Hier entlang. Ich rieche Blut. Und es ist zum Teil noch frisch.« Sie ging tiefer in den Tunnel hinein.
8
W ORTLOS WANDERTEN SIE durch die Dunkelheit. Ihre einzige Orientierung waren der schmale Lichtkegel der Taschenlampe und Kadras Instinkte.
Sie hatte einen Menschen getötet, denn für Harper waren die verkohlten Überreste im Tunnel hinter ihnen immer noch ein Mensch. Dabei hatte sie dieselbe kalte Effizienz gezeigt, mit der sie in A’Dair das kleine hässliche Ungeheuer mit den zwei Köpfen eliminiert hatte.
Im Zoo hatte er ihre Gnadenlosigkeit faszinierend und bewundernswert, ja geradezu sexy gefunden. Aber damals hatten sie gegen hungrige Bestien gekämpft, auch wenn diese menschlich wirkten.
Das hier war ein Mensch gewesen. Wie konnte sie so sicher sein, dass sein Sprung nicht eine Bitte um Hilfe, sondern ein Angriff gewesen war?
»Du hast gesagt, die Verwandlung nähme Zeit in Anspruch«, sagte er schließlich.
»In meiner Welt«, erwiderte sie scharf. »Ich weiß nicht, wie die Verwandlung hier abläuft. Niemand weiß das. Bis jetzt ist noch nie ein Dämon aus meiner Welt in die deine gelangt. In A’Dair verschleppt der Dämon sein Opfer in seinen Bau. Zwölf Stunden lang schläft der Mensch den Schlaf der Veränderung, der dem Tod gleicht. Nur während dieser Zeit gibt es überhaupt Hoffnung auf Rettung, und selbst diese ist gering. Sobald der Dämon
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