Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
erwacht, ist es zu spät. Die Veränderung ist unumkehrbar, auch wenn sie nicht vollständig ist. Er ist ein Dämon und muss fressen.«
»Wenn der Zeitraum hier anders ist, läuft die Verwandlung vielleicht auch anders ab.«
»Er war wach und bewegte sich. Er hätte dich gefressen, wenn ich ihn nicht aufgehalten hätte. Das Blut hatte sich bereits vermischt, Harper. Sein Tod war eine Erlösung. Was in ihm noch menschlich war, wusste das.«
Bisher hatte sie nicht gewusst, dass Liebe wehtun konnte. Wenn man sein Herz einem anderen öffnete, wurde es verletzlich, wie jetzt das ihre. Sein Blick hatte sie zutiefst verletzt: Er hatte sie angesehen, als wäre sie das Monster gewesen.
Sie wollte nicht darüber sprechen, sondern den Gedanken verdrängen und ihre Aufgabe erfüllen. Aber der Schmerz in ihrem Herzen lenkte sie ab.
»Mit jedem Menschen, der stirbt, stirbt ein Teil von mir«, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen. »Ich kann nicht alle retten. Wenn ich könnte, würde ich mein Leben dafür geben.«
»Ich weiß.« Aber sie hörten beide den Zweifel in seiner Stimme.
Der Schmerz machte sie unvorsichtig, verwundbar für den Angriff aus der Dunkelheit.
Etwas fauchte und schnappte nach ihr. Klauen schlugen nach ihrem Hals, als sie herumwirbelte, um den Angreifer zu stellen.
Eine alte Frau, die völlig den Verstand verloren hatte. Nun glitt sie mit unvorstellbarer Geschwindigkeit zurück in die Schatten. Kadra zog ihr Schwert und folgte. Dabei konnte sie sich nur an Geräuschen und Geruch orientieren.
Ein höhnisches Gelächter ertönte, als das Ungeheuer sie von hinten attackierte.
Harpers Kugel traf es noch in der Luft. Blut in jener entsetzlichen rotgrünen Färbung schoss aus der Wunde, als das Ungeheuer mit zuckenden Armen und Beinen zu Boden stürzte.
Eine alte Frau, dachte Harper, als er in das Gesicht der Sterbenden sah. Eine der Elenden, die der Gesellschaft so oft durch die Finger gleiten und ihren Bodensatz bilden.
Sie war alt genug, um seine Großmutter zu sein.
»Du hast sie nicht getötet«, sagte Kadra, die neben ihm in die Hocke gegangen war. »Du hast ihr Leben nicht beendet und darfst dich nicht damit belasten. Sorak hat ihr das Leben genommen. Du hast sie nur von ihren Qualen erlöst. Du hast das Monster getötet. Die Frau war bereits tot.«
»Gewöhnt man sich daran?«
Sie zögerte. Fast hätte sie gelogen. Doch als er den Kopf hob und ihr in die Augen sah, sagte sie ihm die Wahrheit. »Ja. Das muss man, sonst könnte man nicht Tag für Tag zum Schwert greifen. Aber das Bedauern bleibt, Harper, die Trauer um das, was verloren ist. Der Dämon kennt weder Bedauern noch Trauer. Weder Freude noch Leidenschaft noch Liebe. Ich denke, wenn sie sich von uns nähren, hoffen sie, damit unsere Menschlichkeit in sich aufzunehmen, unser Herz, unsere Seele. Aber das können sie nicht. Es gelingt ihnen nur, den Körper zu verwandeln. Herz und Seele leben an einem anderen Ort, der ihnen verwehrt ist.«
»Und deswegen ist Sorak hier. Vielleicht denkt er, in einer anderen Dimension fallen ihm die Seelen leichter zu.«
»Vielleicht.«
Der Körper der Frau war bereits zu Asche zerfallen, als Harper Kadra erneut ansah. »Das von vorhin tut mir Leid. Ich wollte nicht glauben, dass es geschehen kann, dass wir
auf diese Weise benutzt werden können. Es war leichter, dich für das Ende verantwortlich zu machen als Sorak für den Anfang.«
»Sie wird nicht die Letzte gewesen sein.«
»Und wir werden alle aufhalten.« Er streckte die Hand aus und berührte die Krallenspuren an ihrem Hals. »Du bist verletzt.«
»Kratzer, weil ich unachtsam war. Das wird mir nicht wieder passieren.«
»Mir auch nicht.« Nicht im Kampf, dachte er, und nicht mit ihr. Als sie aufstanden, nahm er ihre Hand. »Lass uns diesen Mistkerl finden und ihn in New York willkommen heißen.«
Harper behielt die Glock in der einen Hand, das Messer in der anderen. Der Tunnel machte eine Biegung. An seinem Ende schimmerte ein schwaches Licht. Hinter sich hörte er das Grollen eines Zuges, aber vor ihnen herrschte Schweigen.
Nun sah er auch die Spuren einer menschlichen Behausung. Glasscherben, eine leere Flasche billigen Whiskeys. Reste von Lebensmittelverpackungen, ein alter Tennisschuh, bei dem die Kappe fehlte.
»Sein Lager.« Kadra deutete mit dem Kinn auf die Stelle und zog ihr Schwert. »Er ist nicht allein.«
»Dann statten wir ihm doch einen Besuch ab.« Harper drehte das Messer in seiner Hand. »Wir haben ihm ein paar nette
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