Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
wirklich nie die Hoffnung auf. Seine Zuversicht war unerschütterlich. »Ich werde dir hundert Goldmünzen als Hochzeitsgeschenk geben.«
»Danke, Herr. Was sind Goldmünzen?«
Kylar brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Im Augenblick so nutzlos wie ein Stier mit Brüsten. Jetzt willst du wahrscheinlich wissen, was ein Stier ist«, setzte er vorausschauend hinzu. »Eine Brust hast du bestimmt schon gesehen.«
»Das habe ich. Ein wahres Wunder der Natur. Von Stieren habe ich gehört. Das sind Tiere, nicht wahr? Einmal habe ich eine Geschichte gelesen …« Dilys brach ab und hob abrupt den Kopf, als über ihnen ein Geräusch laut wurde. Mit einem Ausruf packte er die Zügel des Pferdes und zerrte grob daran. Cathmor wieherte panisch und stolperte. Nur sein Instinkt und seine Willenskraft hielten Kylar im Sattel, als der Baumriese Zentimeter vor dem steigenden Cathmor zu Boden stürzte.
»Ohren wie eine Fledermaus«, sagte Kylar zum zweiten Mal, während ihm das Blut in den Ohren rauschte. Der Baum hatte einen Durchmesser von über zwei Metern und war gute dreißig Meter lang. Ein Schritt weiter, und sie wären zermalmt worden.
»Das ist ein Zeichen.«
Der Schock hatte Kylar aufgerüttelt. »Das ist ein toter Baum, der unter dem Gewicht von Eis und Schnee zusammengebrochen ist.«
»Es ist ein Zeichen«, beharrte Dilys. »Die Äste zeigen dorthin.« Er deutete nach links und führte das Pferd, dessen Zügel er noch in der Hand hielt, in diese Richtung.
»Du willst den Ästen eines toten Baums folgen?«, fragte Kylar kopfschüttelnd. Dann zuckte er die Achseln. »Von mir aus. Es macht wahrscheinlich ohnehin keinen Unterschied.«
Eine Stunde lange döste und träumte er vor sich hin. Dann stolperte er noch einmal so lange blind und steif durch den Schnee. Doch als sie anhielten, um eine Mittagsration aus ihrem schwindenden Proviant zu sich zu nehmen, hob Dilys die Hand.
»Was ist das für ein Geräusch?«
»Der verflixte Wind. Hört er denn nie auf?«
»Nein, Herr. Unter dem Wind. Horcht.« Er schloss die Augen. »Es klingt wie … Musik.«
»Ich höre nichts und bestimmt keine Musik.«
»Da!«
Als Dilys stolpernd davonlief, rief Kylar ihm nach. Kochend vor Wut, weil der Mann riskierte, sich ohne Pferd und Nahrung zu verirren, saß er so rasch wie möglich auf und folgte ihm.
Mit erhobener Hand stand Dilys zitternd im Schnee. »Was ist das? Herr, was ist das?«
»Nur ein Bach.« Ob der Mann den Verstand verloren hatte? Kylar sprang vom Pferd. »Es ist nur … ein Bach«, flüsterte er, als ihm klar wurde, was das bedeutete. »Ein fließendes Gewässer. Kein Eis, sondern ein fließendes Gewässer.
Der Schnee.« Er drehte sich auf der Stelle. »Er ist hier nicht so tief. Und ist die Luft nicht wärmer?«
»Es ist wunderschön.« Dilys starrte wie gebannt auf das klare Wasser, das plätschernd über die Steine eilte. »Es singt.«
»Du hast absolut Recht. Komm, beeil dich. Wir folgen dem Bach.«
Der Wind blies immer noch, aber die Schneedecke wurde immer dünner. Die Bäume waren nun deutlich zu erkennen. Zwischen ihnen sah Kylar Spuren von Wild. Wenn er nur die Kraft fand, seinen Bogen zu spannen, würden sie Fleisch zu essen haben.
Hier gab es Leben.
Felsen, Baumstümpfe, Dornen tauchten unter dem Schnee auf. Beim ersten Ruf einer Elster fiel Dilys verblüfft auf die Knie.
Der Schnee auf ihrem Haar und ihren Umhängen war geschmolzen, aber nun wurde Dilys’ Gesicht leichenblass.
»Es ist eine Elster«, erklärte Kylar ihm, belustigt und gleichzeitig gerührt, als sein unerschütterlicher Gefährte bei dem Laut zu zittern begann. »Das gehört zum Sommer. Steh auf, der Winter liegt hinter uns.«
Bald schon berührten Cathmors Hufe festen, aber federnden Boden, und ein einziger Lichtstrahl fiel durch die Bäume, die in vollem Laub standen.
»Was für eine Zauberei ist das?«
»Die Sonne.« Kylars Hand schloss sich um die Rosenbrosche. »Wir haben die Sonne gefunden.« Er stieg ab und ging auf müden, schwachen Beinen langsam zu einem leuchtenden Farbtupfer. Hier, am Rande des Vergessenen Waldes, wuchsen wilde Rosen, die rot wie Blut leuchteten.
Er pflückte eine davon und atmete ihren süßen Duft ein. »Deirdre«, sagte er dabei.
Und die Königin des Sees, die soeben einen Eimer mit Schmelzwasser in ihren Garten trug, schwankte und presste eine Hand auf ihr vor Freude hüpfendes Herz. »Er ist zu Hause!«
Von nun an lebte sie in gelassener Zufriedenheit. Ihr Liebster war in
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