Königin für eine Nacht?
Luft lag der schwere, süße Duft von Jasmin. Nach dem Stimmengewirr im Ballsaal legte sich die Stille hier draußen wie Balsam auf die Seele der Prinzessin.
„Sieh an … Kitty Karedes! Ich habe dich zuerst gar nicht erkannt. Ich sah nur eine Frau verstohlen aus dem Ballsaal schlüpfen und nahm an, sie wäre zu einem Tête-à-Tête mit ihrem heimlichen Liebhaber unterwegs. Aber wenn meine Eisprinzessin seit unserem letzten Zusammentreffen keine Metamorphose durchlaufen hat, ist das wohl mehr als unwahrscheinlich, oder?“
„Vasilis! Ich würde lügen, wenn ich behaupte, es sei mir ein Vergnügen, dich zu sehen“, erwiderte Kitty trocken. „Aber deine Ausrede, hier draußen ein harmloses Liebespaar ausspionieren zu wollen, erscheint mir absolut glaubhaft.“
Während sie Vasilis Sarondakos mit kühlem Blick musterte, fühlte Kitty den vertrauten Widerwillen in sich aufsteigen, der sie jedes Mal in seiner Anwesenheit überfiel. Demonstrativ wandte sie dem Mann den Rücken zu, in der Hoffnung, er würde den Wink verstehen und sie allein lassen. Doch Vasilis war nicht gerade für seine Sensibilität bekannt.
Die Sarondakos-Familie gehörte zu der High Society Aristos, und Vasilis’ Vater, Constantin, war ein enger Freund des verstorbenen Königs gewesen.
Kitty war gerade achtzehn geworden und hatte noch nie einen Freund gehabt, als ihr Vater sie ermutigte, mit Vasilis auszugehen. Leider bescherte ihr diese Erfahrung ein nachhaltiges Trauma, als er ihr unter erheblichem Alkoholeinfluss viel zu dicht auf die Pelle rückte. Seine gelallte Versicherung, ihr üppiger Körper sei wie geschaffen für leidenschaftlichen Sex, hatte sie tief getroffen, doch damals war sie zu beschämt gewesen, um sich ihrer Familie anzuvertrauen. Insgeheim befürchtete sie sogar, Vasilis hätte recht mit seiner Behauptung, ihr dezent ausgeschnittenes Minikleid, auf das sie so stolz gewesen war, sei ein eindeutiges Indiz für seine Theorie.
Die Erinnerung an seinen heißen, alkoholgeschwängerten Atem auf ihrer Haut und die schwitzigen Hände, die an ihrem Ausschnitt zerrten und ihre Brüste berührten, verfolgte sie immer noch. Und als König Aegeus seiner sonst so fügsamen Tochter vor einigen Jahren den Vorschlag machte, den Sohn seines guten Freundes Constantin Sarondakos zu ehelichen, war er mehr als verblüfft über ihre vehemente Weigerung gewesen.
„Also immer noch kein Ehemann in Sicht, Kitty?“, neckte Vasilis und rückte so dicht an sie heran, dass sie sich zwischen ihm und der Terrassenbalustrade gefangen sah. „Du hättest mich heiraten sollen, als du noch die Chance dazu hattest.“
„Lieber schlucke ich freiwillig Gift“, murmelte die Prinzessin verdrossen und versuchte, von Vasilis abzurücken, was ihn dazu veranlasste, die Hände rechts und links von ihr auf die steinerne Brüstung aufzustützen.
Keine zehn Meter von ihr entfernt tummelten sich fünfhundert Gäste im riesigen Ballsaal, inklusive ihrer Brüder. Ernsthaft zu befürchten hatte Kitty von Vasilis also nichts, trotzdem wurde ihr übel von seinem schleimigen Lächeln und der Art und Weise, wie er sie mit Blicken auszog.
„Tatsächlich?“ Er ließ ein hässliches Lachen hören. „Vielleicht solltest du mit derartigen Versprechen nicht zu leichtsinnig sein, meine kleine Eisprinzessin. Erst vor Kurzem habe ich mich mit Sebastian unterhalten, und er hat mir seine Besorgnis darüber mitgeteilt, dass du dich langsam zur einsamen alten Jungfer entwickelst, die nur noch ihre verstaubten Bücher zur Gesellschaft um sich hat.“
„Ich bin gerade mal sechsundzwanzig, nicht sechsundneunzig!“, wehrte Kitty sich empört. „Und ich glaube nicht eine Sekunde, dass mein Bruder ein so privates Thema ausgerechnet mit dir besprechen würde.“
„Worüber sollte er sich auch auslassen können, willst du sagen?“, meinte Vasilis gehässig. „Du hast ja keine Affären aufzuweisen, oder? Ich wette, du bist noch Jungfrau!“ Er lachte über seinen eigenen Geistesblitz. „Viele sind ja sogar der Überzeugung, du wärst lesbisch. Vielleicht möchte dich Sebastian auch deshalb so schnell wie möglich verheiratet sehen. Was meinst du?“, fragte er in leichtem Konversationston.
Da Kitty keine Reaktion zeigte, fabulierte Vasilis munter weiter.
„Und dann noch die Gerüchte über den falschen Stefani-Diamanten und Sebastians aufgeschobene Krönung. Es heißt, dass Scheich Zakari entschlossen sei, das verschollene Juwel zu finden und deinem Bruder die Krone streitig
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