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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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vor ihr verbeugten und Platz machten. Einzig der Anblick ihrer stolzen Mutter Frances Grey, die vor ihr, der stets ungeliebten Tochter, das Knie beugte, bewirkte für einen kleinen Augenblick ein Glücksgefühl. Dann aber sah sie John Dudley, den Herzog von Northumberland, der auf einem Podest neben dem Thronsessel stand und ihr finster entgegenblickte. Die Menschen bildeten eine Gasse, die Jane auf dem Weg zum Thron durchschreiten musste.
John Dudley entrollte ein Pergament, ließ seinen Blick über die Menge schweifen und begann dann vorzulesen:
»Mylords, mit großem Bedauern muss ich Euch den Tod von König Edward VI. bekannt geben. In diesem Augenblick möchte ich meiner Dankbarkeit gegenüber seinem tugendhaften Leben Ausdruck verleihen, ebenso danken für sein stetiges Bemühen, dieses Königreich vor den falschen Versprechungen und Intrigen Roms zu bewahren. Noch kurz vor seinem Tod verfasste der König ein Testament, das vom Kronrat beglaubigt und besiegelt wurde. Mylords, der König ernannte die tugendhafte Lady Jane Grey zur Erbin seiner Krone.«
Nachdem diese Ungeheuerlichkeit nun offiziell vor den ersten und wichtigsten Männern des Landes verkündet und Jane zur Königin ausgerufen worden war, schritt sie langsam auf den Thron zu. Ihre Füße schienen aus Blei zu sein, und ihr war kalt.
Dudley sah ihr entgegen und fuhr fort:
»All jene, die Euch diesen Anspruch streitig machen wollen oder sich weigern, Euer Gnaden zu verteidigen oder ihr Leben zu opfern, sollen als Verräter gerichtet werden.«
O nein, nein, dachte Jane verzweifelt. Wann werde ich endlich aus diesem furchtbaren Albtraum erwachen? Als sie die Stufen hinaufstieg, hallte der einhellige Ruf in den alten Mauern: »Lang lebe Königin Jane!«
Beim letzten Schritt streckte ihr John Dudley seine Hand entgegen, die Jane mit einem verächtlichen Blick missachtete. Mit dem Gefühl, ein großes Unrecht zu begehen, setzte sie sich langsam in den weichen Samtstuhl.
Der Bischof von Westminster trat vor sie und präsentierte ihr die Krone, die bereits unzählige Häupter geschmückt hatte.
»Wollen Euer Gnaden die Krone aufsetzen? Die offizielle Krönung wird so schnell wie möglich in Westminster stattfinden.«
Jane starrte auf die Krone. »Ich habe dazu kein Recht«, flüsterte sie.
Dudley beugte sich zu ihrem Ohr hinab. »Wer wohl sonst hätte dazu das Recht? Wir wollen doch sehen, ob sie passt.«
»Ich kann nicht … Ich …«
Ohne auf ihren Widerspruch zu achten, nahm Dudley ihre Haube ab und gab dem Bischof einen Wink. Die Krone wurde Jane aufs Haupt gesetzt. Sie war schwer, viel schwerer, als Jane gedacht hätte. Aber es waren nicht allein das Gold und die Edelsteine, sondern es war vielmehr die Bürde, die mit dieser Krone verbunden war, die Jane schwer auf den Kopf drückte. Am liebsten hätte sie sich die Krone heruntergerissen und sie quer durch den Thronsaal geschleudert, aber sie war immer noch wie gelähmt.
Plötzlich begannen alle im Saal zu applaudieren, und sie erhob sich kurz.
Dudley beugte sich erneut dicht an ihr Ohr. »Jetzt muss noch eine zweite Krone gemacht werden.«
»Eine zweite? Warum?«
»Um das Haupt Eures Gatten zu krönen, Euer Gnaden.«
Jane erkannte Guildfords eiskalten Blick, mit dem er wie gebannt die Krone anstarrte. Nein, sie würde nicht zulassen, dass dieser Mann England regierte. Auf gar keinen Fall! Wie hatte sie nur die letzten Wochen so blind sein können und nicht durchschaut, dass es Guildford von Anfang an nur darauf abgesehen hatte, König von England zu werden. Er würde vielmehr die willenlose Marionette sein, die bedingungslos an den Fäden tanzte, die sein Vater führte. Trotzdem waren ihr im Moment die Hände gebunden, sie konnte hier und jetzt nichts machen.
»Ich danke Euch, Mylords«, sagte sie laut und mit fester Stimme. »Ich wünsche jetzt allein zu sein.«
»Aber Euer Gnaden, es gibt so viel zu tun!«, raunte Dudley, dessen verschlagenes Gesicht immer noch neben ihrem Ohr schwebte.
Jane richtete sich in dem Thronsessel zu ihrer vollen Größe auf. Durch die Bewegung wackelte die Krone für einen Augenblick und drohte hinab zufallen.
»Bin ich nun die Königin, oder bin ich es nicht?«, fragte sie Dudley und hielt seinem bohrenden Blick stand.
»Ihr seid es, Euer Gnaden.«
»Dann wünsche ich, allein gelassen zu werden. Habt Ihr verstanden?«
Irritiert zuckte Dudley zurück, klatschte in die Hände und wiederholte laut den Befehl von Jane. Die Damen und Herren begannen sich zurückzuziehen, einer

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