Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
Vom Netzwerk:
Tag zu Tag schuldbewusster, war aber gleichzeitig unsäglich stolz auf seine Tochter, die in wenigen Tagen eine Größe bewiesen hatte, vor der jedermann seinen Hut ziehen musste. Sicher, manche ihrer Anweisungen waren kindlich naiv, eine Durchsetzung entsprach nicht der Realität und würde dem Land mehr schaden als nützen. Die Armut ließ sich nicht von einem Tag auf den anderen beseitigen, aber Janes Gedanken dazu waren im Ansatz gut. Henry Grey würde es nie öffentlich zugeben, aber er war froh, dass John Dudley aus Janes Umkreis verschwunden war, zumindest vorübergehend. Nun würde es ihm vielleicht gelingen, etwas Einfluss auf seine Tochter auszuüben.
    Da ihr Vater dem Kronrat angehörte, war es unvermeidlich, ihn täglich zu sehen. Wen sie allerdings nicht in ihrer Nähe duldete, war Frances Grey, ihre Mutter. Jane hatte die brutalen und schmerzhaften Schläge, die entwürdigende Behandlung durch ihre eigene Mutter, als sie sich damals weigerte, Guildford zu heiraten, nicht vergessen. Es war kein Racheakt von Seiten Janes, dass sie Frances nicht empfing, sondern eher eine Art Ruhepause, denn sie wusste, dass ihre Mutter sie mit Vorwürfen überschütten würde. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Jane die Macht, selbst zu bestimmen, mit wem sie sprach und mit wem sie sich umgab.
So ließ sie auch den spanischen Botschafter zwei Tage lang warten, bevor sie ihn empfing. Ruhig hörte sie sich seine Worte an, die er im Auftrag von Kaiser Karl übermittelte. Der Kaiser war ein Verwandter von Mary Tudor und folglich mit den Zuständen, die in England herrschten, nicht einverstanden.
»Verstehen Wir Euch richtig, Exzellenz, dass Euer Souverän fordert, dass Wir auf den Thron verzichten und diesen Lady Mary überlassen sollen, ansonsten könnten Wir uns in einen Krieg mit dem Kaiser verwickelt sehen?«, fragte Jane mit zusammengekniffenen Augen.
Der Botschafter verbeugte sich. »Euer Gnaden, das waren die Worte des Kaisers.«
Nun war Jane nach wie vor davon überzeugt, dass nicht ihr, sondern Mary die Krone gehörte, aber keinesfalls würde sie sich von einem ausländischen Herrscher vorschreiben lassen, was sie zu tun hatte. Sie entließ den Botschafter, ohne ihm eine Antwort oder gar ein Schreiben für den Kaiser mit auf den Weg zu geben.
    Am 15. Juli wurde es Antonia endlich gestattet, Jane aufzusuchen. Sie fiel vor ihr auf die Knie und senkte ehrerbietig den Kopf.
»Antonia, steh sofort auf!«, rief Jane.
»Du
sollst nicht vor mir knien.«
»Aber Euer Gnaden, meine Königin …«
»Und nenn mich nicht
Euer Gnaden
! Ich bin Jane. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich etwas zwischen uns ändert!«
Jane berührte Antonia an der Schulter, und einen Augenblick später fielen sich die beiden Frauen in die Arme.
»Man hat mich nicht zu dir gelassen«, beklagte sich Antonia. »Ich musste im Hause meines Vaters ausharren, hilflos und ohne zu wissen, wie es dir geht.«
Gerührt lächelte Jane. »Wie geht es Lord Fenton? Er hat sich seit Tagen nicht mehr blicken lassen.«
Verächtlich zog Antonia die Mundwinkel nach unten. »Ach, der ergibt sich beinahe ständig dem Alkohol, es gibt kaum Tage, an denen er nicht betrunken ist. Dabei munkelt er von unheilvollen Dingen, die über uns hereinbrechen werden.«
Das Lächeln verschwand von Janes Gesicht. Ernst nickte sie. »Damit hat er nicht Unrecht. Nach und nach verlassen die Ratten das sinkende Schiff. Der Herzog von Arundel war vorgestern der Erste. Er meinte, er müsse in so unsicheren Zeiten dem Herzog von Northumberland zur Seite stehen. Gestern ging Pembroke und heute Morgen Shrewsbury, alle mit der gleichen Begründung. Dabei weiß ich ganz genau, dass sie nicht nach Framlingham geeilt sind, sondern sich auf ihre Landsitze zurückgezogen haben, um sich vor dem drohenden Unwetter zu verbergen.«
»Ach Jane, was wird noch geschehen?«
Jane versuchte, die trüben Gedanken wie ein nasser Hund abzuschütteln. »Was kommen wird, wird kommen. Es liegt nicht in unserer Hand, unser Schicksal zu bestimmen. Gott wird für uns den richtigen Weg wählen. Jetzt aber Schluss mit dieser Schwarzmalerei! Sag mir lieber, Antonia, hast du Norman Powderham wiedergesehen?«
Antonia errötete. Tatsächlich weilte Sir Norman die letzten Tage ebenfalls in ihres Vaters Haus. Den Kuss und die kurze, vertraute Umarmung in Bringham hatten beide nicht mehr erwähnt, aber Norman hatte sich sehr freundlich und besorgt Antonia gegenüber gezeigt.
»Er ist gestern aufgebrochen, um dem Herzog seine

Weitere Kostenlose Bücher