Königin für neun Tage
hinaustrat, presste sie fest die Lider zusammen. Nach den Wochen der Dunkelheit verursachte ihr die Sonne Augenschmerzen. Tief atmete sie die frische Luft ein, in der bereits der Geruch des nahenden Herbstes hing. Man führte sie über den Hof durch das Tor im Lanthorn Tower, dann hinunter in den Cradle Tower. In dem großen, steinernen Gewölbe, dem Fundament des Towers, wurden Antonia und Thomas Fenton von mehreren Herren in dunklen Gewändern und mit wichtigem Gesichtsausdruck erwartet.
»Man stellt uns vor Gericht«, raunte Fenton Antonia zu.
»Maul halten!«, brüllte der Soldat erneut und versetzte Fenton einen Stoß in den Rücken, so dass dieser nach vorne taumelte. Antonia wurde zu einer Bank am Rande des Raumes geführt, während man ihren Vater in die Mitte zerrte. Sechs strenge Herren sahen ihn mit stechenden Augen an.
»Thomas Fenton, einst Lord Fenton aus Devonshire, Ihr seid angeklagt des Hochverrates an unserer gütigen und gnädigen Königin Mary Tudor«, sagte der größte der Richter, ein Mann mit dunklen, kalten Augen und einem gepflegten Bart.
»Mylord Arundel, es ist mir eine Ehre, dass Ihr den Vorsitz über dieses Gericht führt«, antwortete Thomas Fenton freundlich. In Wahrheit wurde ihm in diesem Moment bewusst, wie schlecht die Chancen für ihn standen. Die Königin würde wohl kaum einen mächtigen Mann wie den Herzog von Arundel damit beauftragen, über Personen zu Gericht zu sitzen, die von geringer Wichtigkeit waren.
Der Herzog ging nicht auf Fentons Worte ein. Er blätterte in mehreren Dokumenten und kam gleich zur Sache: »Gesteht Ihr, dass Ihr John Dudley, einst Graf von Warwick und Herzog von Northumberland, in langjähriger Freundschaft verbunden wart?«
»Ja, Mylord.« Fenton wusste, dass es keinen Zweck hatte zu leugnen. Alles, was man ihm hier und heute vorwerfen würde, war längst genügend recherchiert und durch zahlreiche Zeugenaussagen belegt worden.
»Gesteht Ihr zudem, dass Ihr Euch mit den Verrätern Dudley, Grey und den anderen verbündet habt, unserer Königin den rechtmäßigen Anspruch auf den Thron streitig zu machen? Dass Ihr sogar zu den Waffen gegriffen habt mit dem Ziel, Mary Tudor zu töten?«
Scharf zog Antonia die Luft ein. Das waren ungeheure Vorwürfe, für die es nur eine Strafe geben konnte!
Thomas Fenton hielt dem eisigen Blick des Herzogs stand. »Mylord, ich tat nichts anderes, als den Wünschen und Befehlen meines Souveräns zu folgen. König Edwards Testament war eindeutig, wie hätte ich da …«
»Hütet Eure verräterische Zunge, Fenton!«, brüllte ein Beisitzer. »Wir alle wissen, dass es nicht Edwards Wille war, das Testament seines Vaters zu ignorieren und ein anderes aufzusetzen. Es wird sogar bezweifelt, dass er es selbst unterschrieben hat. Das alles gehörte zu dem Plan des Verräters Dudley, der den König auch vergiftet hat.«
Fentons Kopf ruckte nach oben, fassungslos starrte er die Männer an. »König Edward wurde nicht vergiftet! Wir alle wissen, auch Ihr, Mylord Arundel, dass er seit Jahren krank war. Er starb eines natürlichen Todes.«
»Eure Worte zeigen mir, dass Ihr auch jetzt noch versucht, Dudley zu verteidigen. Aber der Mann ist tot und wird Euch nicht zu Hilfe eilen können.« Die Lippen des Herzogs waren nicht mehr als ein schmaler Strich in seinem Gesicht. »Thomas Fenton, Ihr seid schuldig des Hochverrats. Eure Ländereien werden eingezogen und fallen der Krone zu.« Er winkte der Wache. »Nun zu dem Mädchen.«
Grob wurde Antonia von der Bank hoch-und ebenfalls in die Mitte gezerrt.
»Euer Name ist Antonia Fenton, Tochter des Verräters Thomas Fenton und langjährige Vertraute der Lady Jane Grey?« Antonia nickte, sie wollte etwas sagen, aber ihre Stimme versagte. Ihr Mund war wie ausgedörrt, und die Angst schnürte ihr die Kehle zu. »Im Haushalt von Jane Grey hattet Ihr ebenfalls regelmäßigen Kontakt zu ihrem Ehemann Guildford sowie zu John Dudley, nicht wahr?«
»Mylord …«, krächzte Antonia. »Mylord, das waren nur wenige Wochen. In den Jahren davor habe ich in Bradgate Park gelebt. Weder Jane noch ich pflegten Kontakte zu den Herrschaften des Hofes, von gelegentlichen Reisen, zu denen König Edward seine Cousine persönlich einlud, abgesehen.«
»Ihr habt Jane Grey aber immer wieder in ihrem ketzerischen Glauben bestärkt und mit ihr zusammen die Irrlehre unterstützt. Unter Eurem Einfluss kam das Mädchen erst auf die Idee, sich zur Herrscherin ausrufen zu lassen.«
»Das ist eine Lüge!«, schrie Antonia.
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