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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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sind.«
Nachdem Antonia keine weiteren Fragen mehr stellte, verließ der Wärter die Zelle.
Thomas Fenton funkelte sie wütend an. »Was erlaubst du dir, so mein Geld zu verschwenden? Ich verbiete dir …«
»Ach, Vater, du hast mir gar nichts mehr zu verbieten«, antwortete Antonia müde. »Sieh dich an: Was ist aus dem großen Lord Fenton, dem Freund von John Dudley, geworden? Ein haltloser Trinker, der seine letzten Jahre in einem Verlies im Tower fristen wird.«
Antonia wusste, dass seit Jahrhunderten Gefangene im Tower einfach
vergessen
wurden. Sie und ihr Vater waren zu unbedeutend, so dass man den Aufwand eines Prozesses scheuen würde, zumal es genügend andere Männer gab, die mehr Schuld auf sich geladen hatten. Es war gut möglich, dass man sie hier Monat um Monat, Jahr um Jahr darben ließ. War das Geld erst verbraucht, wäre es vorbei mit warmen Decken und einem einigermaßen genießbaren Essen. Was dann? Antonia wagte nicht, an die Zukunft zu denken.
    Der bullige Wärter, dessen Name Will lautete, war für Antonia und ihren Vater in den nächsten Wochen der einzige Kontakt zur Außenwelt. Obwohl er nicht mit großer Intelligenz gesegnet war, schien er doch eine Art von Verehrung für Antonia zu hegen, wobei er aber seine Position nicht ausnützte und nicht versuchte sich ihr zu nähern. Antonia hatte bald gemerkt, dass Will ein recht einsames Leben führte. Von den meisten Gefangenen wurde er nur beschimpft. Antonia behandelte ihn freundlich, und das Geld war auch nicht zu verachten. Zum Glück war Will so anständig, dass er sich nur eine erbrachte Dienstleistung bezahlen ließ, schließlich wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, Fenton den Geldbeutel einfach abzunehmen. Was hätten Antonia und ihr Vater gegen den bulligen Mann schon ausrichten können? Offenbar verfügte Will über einen anständigen Kern, und er brachte Antonia auch regelmäßig frisches Wasser, damit sie sich waschen konnte. Einmal brachte er ihr ein schlichtes, graues Gewand, weil ihres schmutzig und zerrissen war.
»Ist von meiner Schwester«, sagte er und hielt es ihr beinahe schüchtern hin. »Es ist nichts Besonderes, meine Schwester ist nur eine einfache Frau, aber es ist sauber und nur an wenigen Stellen geflickt.«
Antonia dankte ihm mit Tränen der Rührung. An einem solch trostlosen Ort wie hier war es gut, einen Freund zu haben – auch wenn es nur ein Mann war, der dafür bezahlt wurde, sie zu bewachen, und nicht zögern würde, sie zu töten, wenn sie den Versuch einer Flucht wagten.
An einem Abend im August erzählte Will, dass der Herzog von Northumberland gegen Mittag das Schafott hatte besteigen müssen.
»Draußen war es glühend heiß, aber der Herzog trug seinen dicksten und elegantesten Pelzmantel. Der früher so stolze und gut aussehende Mann wirkte eingefallen und viel älter als fünfzig. Jetzt thront sein Kopf auf der London Bridge.«
Schaudernd schlang Antonia die Arme um ihren Körper. »Was ist mit seinen Söhnen?«
»Robert und Guildford wurde gestattet, sich von ihm zu verabschieden. Die beiden sind noch am Leben, Dudleys Söhne John und Ambrose wurden allerdings bereits vor zwei Tagen hingerichtet.«
»Was ist mit Lady Jane? Und mit ihren Eltern?«, wollte Antonia wissen. Sie dachte Tag und Nacht an die Freundin, von der sie wusste, dass sie und Guildford Dudley noch immer im Bell Tower eingeschlossen waren.
Will zuckte die Schultern. »Es heißt, dass die Königin zögert, ihre Verwandten auf das Schafott zu schicken. Aber sie kann es auch nicht wagen, sie freizulassen, denn es könnte zu einer neuen Rebellion kommen. Auch Prinzessin Elizabeth steht in Hatfield unter strenger Bewachung und darf das Haus selbst zu einem Spaziergang nur in Begleitung verlassen.«
Antonia seufzte. Wenigstens lebte Jane noch.
Kaum war Will verschwunden, sagte Thomas Fenton: »Früher oder später werden sie uns freilassen. Ich bin viel zu unbedeutend, besonders jetzt, da der Herzog tot ist. Dann gehen wir gemeinsam nach Devon, und ich schwöre dir, Tochter, dass ich niemals wieder einen Fuß nach London hinein setzen werde!«
Erstaunt sah Antonia ihren Vater an. In den letzten Tagen hatten sie nicht viel miteinander gesprochen, waren sie fremder als Fremde gewesen. Aber seit zwei Tagen hatte er kaum noch Wein getrunken, letztendlich deshalb, weil der Inhalt des Lederbeutels auf zwei Goldstücke geschrumpft war. Wenngleich Will sich bisher sehr freundlich den Gefangenen gegenüber gezeigt hatte, ging seine Kooperation

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