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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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langsam verschwand und es Nacht wurde. Das Grauen zog durch ihre Adern. Panisch rüttelte sie an der Tür, die natürlich fest verschlossen war. Antonia hatte sich nie zuvor Gedanken um Schmerz und Tod gemacht. Sie war jung und immer gesund gewesen. Doch nun würde es zu Ende sein. Für Antonia war es kein Trost, dass man sie erdrosseln würde, bevor die Flammen ihren Körper zerfraßen. Sie konnte nun nur noch hoffen, dass es schnell gehen würde.
Irgendwann wich auch diese Nacht dem fahlen Grau des Morgens.
»Der letzte Morgen meines Lebens«, schluchzte Antonia. Sie schrie auf und wich in die hinterste Ecke zurück, als die Tür geöffnet wurde. Kamen sie jetzt, um sie zu holen?
Aber es war nur ein Priester, der sich beim Eintreten bekreuzigte.
»Antonia Fenton, ich bin gekommen, um dir die Beichte abzunehmen«, sagte er mit sonorer Stimme.
»Ich habe nichts zu beichten!«
»Meine Tochter, du musst deinem Irrglauben abschwören. Nur so kann deine Seele in das ewige Himmelreich eingehen«, beschwor der Priester.
Verächtlich spuckte Antonia wenig damenhaft vor ihm aus. »Was soll ich beichten? Dass ich die Freundin eines unschuldigen Mädchens war, das als Spielball einer skrupellosen Machtpolitik von gewissenlosen Männern und Frauen missbraucht worden ist? Nein, das habe ich nicht zu bereuen! Ich hatte Jane von ganzem Herzen gern, und sie gab mir das Gefühl, gemocht und verstanden zu werden. Ich bin auf unsere Freundschaft sehr stolz und werde sie nicht ableugnen.«
Der Priester trat so nahe an Antonia heran, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. »Schwöre dem ketzerischen Glauben ab und bekenne dich zu der Kirche Roms, zur Jungfrau Maria und all ihren Heiligen!«
»Was würde mir das bringen?«, fragte Antonia scheinbar interessiert. »Würde man dann mein Leben verschonen und mich meiner Wege ziehen lassen?«
Abwehrend hob der Priester die Hände und trat wieder einen Schritt zurück. »Selbstverständlich nicht! Aber es würde dein Gewissen erleichtern und deine Seele rein und frei machen, so dass du unbefleckt vor das Angesicht Gottes treten kannst.«
Höhnisch lachte Antonia auf. »Ist es Gott nicht völlig gleichgültig, auf welche Art wir ihn verehren? Ist es nicht vorrangig, dass wir überhaupt an Gott glauben? Ich denke, dass Gott alle Sprachen dieser Welt versteht, darum ist es nicht notwendig, die Gebete auf Lateinisch zu sprechen. Er hört uns auch, wenn wir die englische Sprache verwenden. Warum sollten wir vor einem Stück Brot niederknien und es verehren, wenn wir genau wissen, dass es nur ein Produkt aus Mehl und Wasser ist? Wenn ich mit Gott stumme Zwiesprache halte, so brauche ich dazu keine Reliquien. Ich bin überzeugt, er hört mir auch so zu.«
Der Priester bewegte sich rasch in Richtung Tür, dabei bekreuzigte er sich mehrmals hintereinander. »Deine Seele ist verloren und wird auf immer und ewig im Fegefeuer gefangen sein.« Er klopfte an die Tür. »Wachen, lasst mich heraus! Diese Ketzerin kann nicht bekehrt werden.«
Wieder allein, wusste Antonia nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie spürte, dass sie kurz davor war, ihren Verstand zu verlieren, darum war sie beinahe froh, als man sie endlich aus der Zelle holte, auf einen Karren band und zur Richtstätte führte.
    Seit jeher zog eine Hinrichtung die Bevölkerung an, aber nie zuvor hatten die Londoner so viele arme Menschen das Schafott besteigen sehen wie in den Wochen seit Königin Marys Thronbesteigung. Die Königin hatte es sich zum Ziel gemacht, das ganze Land vom Einfluss der ketzerischen Thesen und Praktiken zu reinigen und überall den wahren, den katholischen Glauben einzuführen. Längst war sie vom Papst bereitwillig wieder in den Schoß der heiligen römischen Kirche aufgenommen worden und übte jetzt Rache an all jenen, die einst für den Sturz ihrer Mutter verantwortlich waren. Auch der ehemalige Erzbischof Thomas Cranmer schmachtete im Kerker und mit ihm viele Vertreter des protestantischen Glaubens. Manchmal ließ Mary auch Gnade walten, akzeptierte die ehrliche Reue von Menschen, die öffentlich bekannten, von der neuen Lehre verblendet worden zu sein. Diese wurden des Landes verwiesen und verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Wie einst unter ihrem Vater Henry, als er die Klöster auflöste, füllte sich nun auch Marys Staatskasse durch die Schätze der unzähligen Besitztümer einstiger Herzöge und Grafen. Unnachgiebig zeigte sie sich jedoch all jenen gegenüber, die an dem Komplott, Jane Grey zur

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