Königin für neun Tage
»Ich gebe zu, dass ich …«
»Mylord Arundel, meine Tochter tat nur das, was ich ihr auftrug.«
Laut tönte Thomas Fentons Stimme durch den Saal. Antonia sah ihren Vater erstaunt an, und der Herzog runzelte die Stirn.
»Was wollt Ihr damit sagen, Fenton?«
»Es war meine Idee, meine Tochter in die Nähe von Jane Grey zu bringen, damit sie einen entsprechenden Einfluss auf das Mädchen ausübt. Antonia ist als gläubige Katholikin erzogen und unterrichtet worden, erst auf meinen Willen hin machte sie sich mit den Lehren des reformierten Glaubens vertraut. Das geschah einzig und allein aus dem Grund, Jane zu manipulieren.«
Antonia glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Nicht ein einziges Wort entsprach der Wahrheit! Warum tat ihr Vater das?
»Trotzdem handelte Eure Tochter aus freien Stücken, Fenton. Sie ist alt genug«, beharrte Arundel auf seiner Meinung.
»Mylord, zum einen ist meine Tochter ein folgsames Kind, so wie jedes Kind seinem Vater gehorchen sollte, außerdem habe ich sie mehrmals züchtigen müssen, bis sie meinen Wünschen nachkam. Ich betone nochmals, dass sich Antonia nur auf nachhaltigen Druck meinerseits in die Nähe von Jane Grey begab und sich ihr Vertrauen erschlich.«
Langsam dämmerte es Antonia, dass ihr Vater versuchte, sie zu retten! Er nahm eine Schuld auf sich, die es niemals gegeben hatte, nur um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren. Ihr stiegen Tränen in die Augen, aber sie durfte nicht weinen. Wenn sie jetzt dementierte und sagte, dass die Worte ihres Vaters nicht der Wahrheit entsprachen, wäre keinem von ihnen geholfen. Sie hob den Kopf, kurz kreuzten sich ihr und ihres Vaters Blick. Seine Augen schienen zu sagen: Sei still! Widersprich meinen Ausführungen auf keinen Fall!
Die Männer des Gerichts begannen miteinander zu tuscheln, Antonia konnte kein Wort verstehen. Immer wieder kreisten ihre Gedanken darum, warum ihr Vater das getan hatte. Konnte sich ein solch harter und herzloser Mensch wirklich so weit wandeln, dass er nun das Leben seiner Tochter beschützen wollte, das er vor einigen Jahren noch bereitwillig geopfert hätte?
Der Herzog erhob sich. »Das Gericht ist sich einig geworden. Ihr, Thomas Fenton, seid schuldig des Hochverrats und der Anstiftung zum Hochverrat. Darauf steht nur eine Strafe: Tod! Auf Grund Eures niedrigen Adelsstands bleibt Euch der schnelle Tod durch das Schwert verwehrt, stattdessen werdet Ihr morgen auf den Tower Hill geführt und dort so lange am Strang aufgehängt, bis der Tod eintritt. Wir haben uns entschlossen, Euch die entwürdigende Maßnahme des Vierteilens zu ersparen, da Ihr ein umfassendes Geständnis abgelegt habt.«
Um Fentons Lippen spielte ein spöttisches Lächeln. »Ich bin Euch zu Dank verpflichtet, Mylord Arundel. Wenn ich auch mal etwas für Euch tun kann, lasst es mich wissen.«
Fassungslos folgte Antonia dem Wortwechsel, der in einem Tonfall geführt wurde, als säßen zwei Freunde bei einem Krug Wein beisammen. Sie fühlte sich wie in einem schrecklichen Albtraum gefangen.
Laut dröhnend hallte die Stimme des Herzogs in ihren Ohren, als er seinen stechenden Blick auf sie legte und fortfuhr: »Ihr, Antonia Fenton, seid ebenfalls des Verrates und zusätzlich der Ketzerei überführt. Auch Euch wird das Privileg des Schwertes versagt. Da Ihr eine Ketzerin seid, deren Seele nur in der reinigenden Kraft des Feuers Frieden finden kann, werdet Ihr nach Smithfield gebracht und dort auf dem Scheiterhaufen verbrannt.«
Die Wände des Raumes begannen sich zu drehen, der Boden schwankte unter Antonias Füßen. Eine Welle der Übelkeit schwappte ihr aus dem Magen in die Kehle, und sie glaubte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Wie aus weiter Ferne hörte sie die nächsten Worte des Herzogs: »Das Gericht schenkt allerdings den Worten des Verräters Fenton Glauben, dass Ihr, Antonia, nach dem Willen Eures Vaters gehandelt habt. Daher gestatten wir Euch die Gnade der Erdrosselung, bevor Euer Körper den Flammen übergeben wird. Das Urteil wird ebenfalls morgen vollstreckt.«
Der Boden kam mit rasender Geschwindigkeit auf Antonia zu, dann fiel sie in die erlösende Schwärze einer Ohnmacht.
Antonia war es nicht mehr vergönnt, sich von ihrem Vater zu verabschieden und ihn zu fragen, warum er versucht hatte, ihr das Leben zu retten, denn als sie aus der Ohnmacht erwachte, war sie allein. Man hatte sie in eine andere Zelle gebracht. Oben an der Wand befand sich ein handbreites Loch, durch das Antonia erkennen konnte, wie die Sonne
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