Königin für neun Tage
geheimnisvollen Krankheit, die sie bluten und ihr Brüste wachsen ließ, auch war es nicht abnormal, dass ihr Herz beim Anblick von Norman Powderham ein paar Takte schneller geschlagen hatte.
Antonia sprang auf und umarmte die Mutter so stürmisch, dass die zierliche Frau taumelte und beinahe rücklings in die Dornenhecke gefallen wäre.
»Die Lage mag im Augenblick zwar aussichtslos erscheinen, aber wir finden eine Lösung, und diese liegt nicht in einer Flucht. Ich glaube, es ist mir gelungen, Sir Norman heute Mittag über meine wahre Identität zu täuschen. Warum sollte es uns nicht weiterhin möglich sein? Ich könnte eine Krankheit vortäuschen, die mich daran hindert, jetzt gleich mit Sir Norman in die Stadt zu reiten. Dadurch erwirken wir einen Zeitaufschub, in dem wir überlegen können, was zu tun ist, und dann …«
Antonia stockte, denn ihr war ein Aspekt der neuen Situation eingefallen, der ihr gar nicht gefiel. Als Mädchen würde sie nicht mit Sir Norman an den Königshof reiten, würde nicht sein Knappe und später ein Ritter sein. Eine Frau kämpfte nicht mit dem Breitschwert oder führte hoch zu Ross die Lanze gegen einen Gegner. Nein, als Frau würde sie nähen und sticken, musizieren und singen lernen und den Rest ihrer Tage in Demut und Unterwürfigkeit verbringen müssen. Ihre Bewegungsfreiheit würde nicht nur aufgrund der unbequemen Kleidung eingeschränkt sein. Ein Mädchen hatte nichts weiter zu tun, als zu warten, bis ein passender Mann um ihre Hand anhielt. Liebe würde dabei natürlich nicht mit im Spiel sein. Dann würde sie irgendwo auf dem Land einen Besitz führen und ein Kind nach dem anderen gebären, bis ihr Körper alt und ausgezehrt war …
»Nein!« Antonia schrie so laut auf, dass ihre Mutter sie zitternd an ihre Brust zog. Hastig machte sich Antonia aus der Umarmung frei. »Mutter, ich
werde
Sir Normans Knappe und mit ihm nach London gehen! Ich mag vielleicht als Mädchen geboren worden sein, aber hier drin …« Sie schlug sich mit der rechten Faust auf die Stelle ihrer Brust, hinter der ihr Herz schlug, »bin ich ein echter Fenton. Der einzige Sohn und Erbe von Lord Thomas Fenton. Wer das nicht glauben mag, dem werde ich es beweisen!«
Antonia hatte mit so viel Überzeugung und Elan gesprochen, dass Lady Margaret für einen Moment glaubte, die Täuschung könnte tatsächlich gelingen. Doch dann sagte ihr gesunder Menschenverstand, dass eine Fortführung der männlichen Identität Antonias zum Scheitern verurteilt war. Ihre einzige Chance war, Sir Norman noch ein paar Tage in Arglosigkeit zu wiegen und ihn allein nach London zurückzuschicken. Dann würde ihnen vielleicht genügend Zeit bleiben, um Fenton Castle zu verlassen und gen Westen zu fliehen, bevor der Zorn ihres Gatten sie erreichte. Lady Margaret hatte allerdings keine Ahnung, wovon sie leben sollten. Sie besaß keinen einzigen Penny und außer ihrem schlichten Ehering nicht einmal Schmuck. Lord Thomas kam für alle Kosten auf, großzügig mit Geschenken war er noch nie gewesen. Margaret konnte auf eine Flucht ja schlecht Mobiliar oder Bilder mitnehmen, um sie unterwegs zu veräußern. So sehr sie auch darüber nachdachte, es schien keine Lösung zu geben.
Auch Antonia hing ihren Gedanken nach, als sie durch die Gärten ins Schloss zurückkehrten. Ihre Überlegungen unterschieden sich jedoch von denen der Mutter wie die Nacht vom Tag, denn Antonia zog eine Flucht nicht in Betracht, ganz im Gegenteil!
Ellen zog den Streifen Leinentuch um ihren Oberkörper so fest zu, dass Antonia nach Luft schnappte, aber sie sah ein, dass diese Prozedur notwendig war. Die Kinderfrau schlich um sie herum und schüttelte skeptisch den Kopf. Antonia betrachtete sich im Spiegel und stellte fest, dass die Bandage um ihren Oberkörper ihre jungen Brüste vollständig versteckte. Sie war oben herum flach wie ein Brett.
Während sie in ein weites Hemd schlüpfte, rang Lady Margaret jammernd die Hände. »Das kann nicht klappen! Antonia«, befremdlich klang der Name in Antonias Ohren, »es ist purer Selbstmord, was du vorhast!«
Antonia lächelte ihrem Spiegelbild aufmunternd zu. Tatsächlich zeigte sie nach außen mehr Mut, als sie im Herzen fühlte.
»Keine Angst, Mutter, du wirst sehen, wenn Vater mich erst kennen und schätzen gelernt hat, wird er uns die Schwindelei sicher verzeihen.«
Trotz ihrer Jugend hatte Antonia gegenüber Lady Margaret und Ellen durchgesetzt, Sir Norman Powderham an den Königshof zu begleiten.
»Vierzehn Jahre
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