Königin für neun Tage
seiner Hose und hielt sie ihm entgegen. »Da … zieht Eure Hose an …«, stammelte sie mit schamrotem Kopf.
Norman betrachtete sie mit amüsiertem Blick. Gut, Jungen in diesem Alter waren manchmal etwas verschämt, aber dieses Bübchen war ja völlig verklemmt! Er sprang wieder auf und zog Antonia mit festem Griff nach oben. »Komm, zieh dich aus. Wir sind hier alles nur Männer, keine Frau weit und breit. Es besteht kein Grund, so schamhaft zu sein.«
Antonia wehrte sich mit Händen und Füßen. »Nein, nein! Ich will nicht!«
Während des Gerangels kam sie mit ihrem Gesicht Normans Brust so nahe, dass seine Härchen ihre Nase kitzelten. Verzweifelt versuchte sie sich zu befreien, aber sein Griff glich einer Stahlklammer. Er schleppte sie hinter sich her zum Flussufer.
»Wenn du dich nicht ausziehen willst, werfe ich dich mitsamt deinen Kleidern ins Wasser!«
»Bitte nicht! Bitte, lasst mich doch in Ruhe!« Zu Antonias Entsetzen konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, und sie schluchzte laut auf.
Perplex ließ Norman sie so abrupt los, dass sie taumelte, über einen Stein stolperte und beinahe gestürzt wäre. Er tat allerdings nichts, um sie zu stützen, sondern sagte nur kühl: »Nun gut. Wie ich sehe, kannst du keinen Spaß verstehen und machst aus einem kleinen Scherz ein Drama.« Er drehte sich um und ging zu seinen Kleidern zurück. Antonia stand wie erstarrt, immer noch unfähig, den Blick von dem muskulösen Körper des Ritters abzuwenden. »Eines kann ich dir jedoch sagen, Junge«, fuhr Norman fort. »Als mein Knappe bist du auch für meine Garderobe und meine Körperpflege zuständig. Somit wirst du öfters das Vergnügen haben, mich nackt zu sehen, denn du wirst mir beim Baden und Rasieren behilflich sein.«
Ohne ihr einen weiteren Blick zu schenken, ging Norman zum Feuer, wo sich die Kaninchen bereits knusprig gebraten am Spieß drehten. Er nahm ein Messer, säbelte sich ein Stück ab und kaute missmutig. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Nun, er würde diesen verzogenen Burschen in Hampton Court abliefern. Dort gab es Männer, die sich auf die Erziehung von Knappen verstanden, und diese Männer waren nicht zimperlich. Ein paar Wochen unter den Fittichen des Ausbilders Master Rowse, und Anthony würde wie ein sanftes, schnurrendes Kätzchen gern in seine Obhut zurückkehren. Norman war sich sicher, dass der Junge von den beiden seltsamen Weibsbildern in Fenton Castle völlig verhätschelt und verzogen worden war.
Die Männer lagen längst unter ihren Decken und schnarchten, als Antonia immer noch in den Sternenhimmel starrte. Die Nacht war lau, und aus dem Wald drangen für Antonias Ohr ungewohnte Töne. Nie zuvor hatte sie unter freiem Himmel geschlafen. Ach, sie wünschte, sie würde endlich einschlafen können. Der Ritt am nächsten Tag würde nicht minder anstrengend wie der heutige werden, da musste sie frisch und ausgeruht sein. Aber immer, wenn sie die Augen schloss, sah sie das Bild des nackten Sir Norman vor sich. So langsam dämmerte es Antonia, dass ihre Vorstellungen, die sie ihrer Mutter und Ellen gegenüber so überzeugt vertreten hatte, vielleicht doch nicht ganz der Realität entsprachen. Wie lange sie wohl vor Sir Norman ihre Weiblichkeit noch würde verbergen können? Sie hatte ja keine Ahnung vom wirklichen Leben gehabt! Antonia wurde bewusst, dass ihr Wissen, das sie sich aus Büchern angeeignet hatte, nicht ausreichen würde, um in der Realität zu bestehen.
Am nächsten Tag ritten sie mehr oder weniger schweigend weiter, Sir Norman richtete nur selten das Wort an Antonia. Der Grund dafür war nicht nur der Vorfall am Fluss, sondern auch die drückende Schwüle, die über dem Land lastete. Die Sonne hatte sich hinter eine dichte Wolkendecke verzogen, dennoch war es unerträglich heiß. Kein Vogel sang in den Zweigen, selbst die Blätter an den Ästen erstarrten in der Hitze. Beinahe jede Stunde mussten sie eine kurze Rast einlegen, um die Pferde, deren Leiber schweißbedeckt waren, zu tränken. Zum Glück hatte es bis vor zwei Wochen noch regelmäßig geregnet, so dass die Flüsse und Seen genügend Wasser führten. Je mehr der Nachmittag sich neigte, desto mehr verdunkelte sich der Himmel. Sie ritten gerade über ein baumloses Feld, als das Unwetter losbrach. Blitz und Donner folgten in raschen Abständen, dann prasselte Regen und Hagel unbarmherzig auf die Gruppe herab.
»Da vorne ist eine Kate!«, schrie Roger durch den heulenden Sturm.
Sir Norman gab seinem
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