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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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hastete Antonia zur Tür hinaus. Nein, sie würde nicht schon wieder vor ihm weinen! Was war das für ein ungehobelter Kerl? Wie konnte ihr Vater nur so grausam sein und sie in seine Obhut geben? Sir Normans Männer warfen ihr verwunderte Blicke zu, als sie an ihnen vorbei hastete. Erst als die Kate weit hinter ihr lag, ließ sich Antonia auf das freie Feld sinken. Es regnete immer noch, aber es machte ihr nichts mehr aus. Zum ersten Mal dachte sie, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, mit ihrer Mutter an die cornische Westküste zu fliehen. Nun war es zu spät, und sie musste versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Sie hatte es schließlich nicht anders gewollt.
Nachdem Antonia davongerannt war, stapfte Norman wütend durch den kleinen Raum. So etwas war ihm noch nie untergekommen! Nach einiger Zeit verrauchte jedoch sein Zorn, und er begann, ein gewisses Verständnis für den Jungen aufzubringen. Anthony war schließlich in der Abgeschiedenheit des Landes und in der Gesellschaft von zwei Frauen erzogen worden. Norman erinnerte sich daran, dass der Waffenmeister Lifton sich wohlwollend über seinen Schützling geäußert und behauptet hatte, er könne sehr gewandt mit dem Schwert umgehen. Nun, es konnte schließlich nicht jeder wie Norman das Privileg haben, in einer großen Familie aufzuwachsen. Er hatte sich bereits in jungen Jahren gegen seine älteren Brüder behaupten und seinen Platz in der Familie erkämpfen müssen. Seine Eltern waren nie sentimental oder besonders zärtlich gewesen und hatten von den Söhnen schon früh verlangt, auf eigenen Füßen zu stehen. Lord Fenton hatte ihn, Norman Powderham, dazu ausersehen, aus seinem einzigen Sohn einen tapferen Kämpfer zu machen. Offenbar hielt der Lord ihn für geeignet dafür. Darum wollte er nicht schon auf der Reise kläglich versagen und seinem Herrn einen Bengel bringen, dessen Nase triefte, weil er sich wegen seiner Schamhaftigkeit eine Erkältung zugezogen hatte.
Norman seufzte, schlüpfte wieder in seine feuchte Hose und legte sich den nassen Umhang um. Die Decke legte er neben das Feuer, dann ging er in den immer noch strömenden Regen hinaus. Er fand Anthony unter einer Eiche zusammengekauert auf der Erde. Sanft legte er die Hand auf seine Schultern.
»Komm in die Hütte, Anthony«, bat er, und seine Stimme klang ungewöhnlich sanft. Ärgerlich bemerkte er, wie der Junge unter seiner Berührung zusammenzuckte, als wäre seine Hand aus glühendem Eisen. Trotzdem stand Anthony auf. Als sich ihre Blicke kreuzten, bemühte sich Norman um ein Lächeln. »Wir werden uns schon zusammenraufen, meinst du nicht auch?«
Antonia nickte verunsichert, folgte Norman dann aber in die Kate zurück. Inzwischen war es dunkel geworden. Sie entzündete eine Kerze, die flackernde Schatten an die unbehauenen Wände warf. Sir Normans Männer nächtigten im Stall, und Antonia überlegte, ob sie sich zu ihnen gesellen sollte, denn die Aussicht, die Nacht bei Regen unter freiem Himmel zu verbringen, war wenig verlockend.
Norman hatte dieses Problem aber bereits gelöst. Er deutete auf zwei Decken in der Ecke, dann legte er sich selbst auf sein Lager direkt neben dem Feuer. »Du wirst hier schlafen«, befahl er.
Antonia nickte und schlüpfte unter die Decke.
Sofort fuhr Norman in die Höhe. »Junge! Strapazier meine Geduld nicht ins Unendliche! Du wirst nicht in deinen nassen Kleidern schlafen, und wenn ich sie dir eigenhändig vom Leib reißen muss!« Er bemerkte Antonias Zögern und ihren angstvollen Blick und ergänzte seufzend: »Nun gut, ich werde das Licht löschen. Vielleicht fällt es dir dann leichter, dich zu entkleiden.«
Einen Augenblick lag der Raum in völliger Dunkelheit. Da es Antonia inzwischen so kalt war, dass ihre Zähne bibbernd aufeinander schlugen, schlüpfte sie erleichtert aus den nassen Sachen und hüllte sich in die warme, trockene Decke, die Norman neben dem Feuer getrocknet hatte. Langsam legte sie sich nieder, wagte jedoch nicht, die Augen zu schließen. Nicht auszudenken, wenn sie sich im Schlaf aus der Decke strampeln und Norman erwachen würde! Nein, sie durfte auf keinen Fall einschlafen. Norman machte es ihr leicht, ihren Vorsatz einzuhalten, denn er begann, laut zu schnarchen. Antonia presste beide Hände auf die Ohren. Du meine Güte, eine Frau würde es ja keine Nacht mit ihm in einem Bett aushalten! Zum ersten Mal fragte sich Antonia, ob es wohl eine Frau in seinem Leben gab. War er verheiratet? Bei dem Gedanken, dass in

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